10.06.2021

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Schlechte Nachrichten

In China wurde ein verschärfter Paragraf des Strafgesetzbuchs, der das Anzweifeln von offiziellen Darstellungen ahndet, erstmals gegen einen Journalisten angewandt. Am 31. Mai verurteilte ein Gericht in Nanjing den Blogger Qiu Ziming wegen „Diffamierung von Helden und Märtyrern“ zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe. In einem Beitrag auf der populären Medienplattform Sina Weibo vom 19. Februar 2021 hatte Qiu die amtlichen Angaben über die Zahl der chinesischen Opfer bei dem indisch-­chinesischen Grenzzwischenfall vom Juni 2020 angezweifelt. Tags darauf wurde er wegen „Erregung von Unruhe“ verhaftet. Das jetzt gefällte Urteil berücksichtigt als „mildernden Umstand“, dass der Angeklagte sein Verhalten inzwischen öffentlich „bereut“ hat.

In Pakistan wurde einer der bekanntesten Fernsehmoderatoren kaltgestellt, weil er einen besseren Schutz für Medienschaffende gefordert hatte. Hamid Mir, der die Abendsendung „Capital Talk“ moderiert, war am 28. Mai in Islamabad auf einer Solidaritätskundgebung für den Journalisten Asad Ali Toor aufgetreten. Dieser regimekritische Blogger war drei Tage zuvor in seiner Wohnung von drei Agenten des gefürchteten Geheimdienstes ISI zusammengeschlagen worden. Nachdem Hamid Mir die Aufklärung dieses und anderer Angriffe auf kritische Medienstimmen gefordert hatte, landete er selbst auf der schwarzen Liste. Mit der Begründung, Mirs Rede habe „Reaktionen von verschiedenen Sektoren der Gesellschaft ausgelöst“, setzte ihn sein Arbeitgeber Geo News als Moderator ab und schickt ihn in den Zwangsurlaub.

Fünf Monate vor den Präsidentschafts­wahlen in Nicaragua verschärft das Ortega-Regime seinen Druck auf die Medien. Am 20. Mai wurden die Fernsehredak­tio­nen Esta Semana und Esta Noche des regierungskritischen Journalisten Carlos Fernando Chamorro durchsucht. Mehrere Medienschaffende wurden aufgrund ihrer Berichterstattung über die Razzia ­festgenommen. Seit den Massenprotesten vom April 2018 führt die Regierung einen regelrechten Krieg gegen die Medien. Immer mehr nicaraguanische Journalistinnen und Journalisten sind Schikanen oder Todesdrohungen ­ausgesetzt und werden ins Exil gezwungen.

Gute Nachricht

Die investigative Journalistin Maria Ressa hat vor einem Gericht in Manila einen Etappensieg errungen. Ein Verfahren gegen die Gründerin des Online-Nachrichtenportals Rappler, die seit Jahren über die staatlich geförderte Korruption auf den Philippinen recherchiert und berichtet, wurde vom Gericht „ohne Entscheidung in der Sache“ eingestellt. Zuvor hatte der Geschäftsmann Wilfredo Keng seine Verleumdungsklage gegen Ressa zurückgezogen. Keng gebietet über neun Unternehmen, denen Rappler korrupte Praktiken und Verstöße gegen Umweltgesetze vorwirft. Der Journalistin droht aber noch eine langjährige Gefängnisstrafe aufgrund weiterer „Cyber-Beleidigungsklagen“, die der Staat auf Betreiben von Präsident Duterte gegen sie angestrengt hat.

Le Monde diplomatique vom 10.06.2021