10.12.2020

Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

zurück

Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

Ulf Kadritzke

Audio: Artikel vorlesen lassen

Am 14. November ist unser Autor, Übersetzer und nimmermüder Ratgeber Ulf Kadritzke plötzlich gestorben. Neben seiner Tätigkeit als Soziologieprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) hat Ulf auch immer wieder für LMd gearbeitet: Zuerst als Autor, im April 2002 erschien sein erster Text, „Die Chronik vom Ende eines Start-up-Unternehmens“, im Juli 2005 folgte „Übernächtigt in Seattle“, in dem er zeigt, wie in der Selbstausbeutung der scheinbar Selbstständigen „die Pathologien der Arbeitswelt als moderne Formen der alten Entfremdung zutage treten“. Im Dezember 2006 schrieb er in „Kein Platz mehr im letzten Flugzeug. Die Mittelklassen in der Zone der Verwundbarkeit“ über ein Thema, das den Soziologen nie losgelassen hat und worum es auch in seinem letzten Beitrag für LMd ging: „Die Mitte als Wille und Vortäuschung“ hat wie alle seine Texte einen so starken Anfang, dass man gleich weiterlesen möchte. Außerdem hat Ulf viele komplizierte Autorinnen und Autoren für LMd übersetzt, klug, genau und nie überheblich gegenüber den Verfassern (auch wenn er aus guten Gründen manchmal nicht ihrer Meinung war). Und schließlich hat er uns oft beraten und auch andere Autoren empfohlen, wie den großartigen Hans-Georg Zilian, der ebenfalls viel zu früh verstorben ist. Wenn Ulf in der Redaktion anrief, um in letzter Minute noch ganz schnell einen Satz ändern zu lassen, verabschiedete er sich oft mit den Worten „Schafft schön“. Nicht nur diese freundliche Ermunterung wird uns sehr, sehr fehlen.

Repression in Ägypten

Mitte November wurden die drei ägyptischen Menschenrechtsaktivisten Gasser Abdel-Razek, Mohamed Basheer und Karim Ennarah verhaftet. Alle drei arbeiten für die Organisation Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR). Nach einem Treffen mit ausländischen Diplomaten hatten die ägyptische Behörden Terrorismusvorwürfe gegen sie erhoben. Auf massiven – auch internationalen – Druck wurden sie am 3. Dezember wieder freigelassen. Am 6. Dezember entschied jedoch ein Gericht, ihre Konten einzufrieren. Das Regime von Abdel Fattah al-Sisi geht schon seit Jahren brutal gegen kritische Stimmen vor. Die Repression trifft neben Menschenrechtlern auch Journalistinnen, wie Aziz El Massassi in LMd vom Dezember 2015 berichtete: „Die Wahrheit auf der letzten Seite“. Auch die politische Opposition wurde nahezu ausgeschaltet. Vom „gnadenlosen Feldzug gegen die Muslimbrüder“ berichtete Chérif Ayman im Mai 2019.

Le Monde diplomatique vom 10.12.2020