13.08.2020

Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

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Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

Explosion in Beirut

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Am 4. August wurde die libanesische Hauptstadt Beirut von einer riesigen Explosion erschüttert, die sich kurz nach 18.00 Uhr Ortszeit im Hafen ereignete und bis ins 200 Kilometer entfernte Zypern zu spüren war. Durch die Druckwelle wurden große Teile der Stadt zerstört, insbesondere die nahe am Hafen gelegenen Viertel Mar Mikhael und Gemmayzeh. Bilder von der Zerstörung erinnerten an ein Kriegsgebiet: eingestürzte Häuser, auf den Straßen überall Trümmer und zerstörte Autos. Alle Fenster in einem Umkreis von mehreren Kilometern gingen zu Bruch, Wohnungen wurden verwüstet, Mobiliar durch die Luft geschleudert.

Bis zum 10. August stieg die Zahl der Todesopfer auf über 150, tausende Menschen wurden verletzt, und etwa 300 000 Bewohnerinnen und Bewohner Beiruts sind durch die Katastrophe obdachlos.

Ursache der Explosion waren offensichtlich 2750 Tonnen hochexplosives Ammoniumnitrat, das bereits seit mehreren Jahren unsachgemäß in einem Hangar des Hafens gelagert worden war. Hafenarbeiter bestätigten gegenüber Journalisten, dass in einer Lagerhalle in der Nähe Feuerwerkskörper deponiert waren, die – wohl durch Schweißarbeiten – Feuer fingen. Zuvor hatten Angestellte der Hafenbehörde offenbar wiederholt vor der Gefahr gewarnt.

Sollte sich dieser Hergang der Katastrophe bestätigen, wäre es nur die jüngste Bestätigung für das völlige Versagen der staatlichen Institutionen im Libanon.

Die Bevölkerung des kleinen Landes leidet bereits seit Jahrzehnten unter Missmanagement und Korruption. In den vergangenen Monaten hatte sich die seit Jahren schwelende Wirtschaftskrise im Land noch einmal extrem zugespitzt, der Verfall der Währung führte zur massiven Teuerung der größtenteils importierten Konsumgüter.

Kein Wunder also, dass nur wenige Tage nach der Katastrophe die Menschen auf die Straße gingen, um wütender als je zuvor gegen die unfähige politische Führung des Landes zu protestieren. Allerdings war es bei Weitem nicht das erste Mal: In der LMd-Novemberausgabe 2019 berichtete Jakob Farah in seinem Text „Beirut – Aufstand gegen den Status quo“ über die bis dahin größten Demonstrationen, die sich damals vor allem gegen Saad Hariris Regierung richteten. Und im August 2018 beschrieb Emmanuel Haddad in LMd unter der Überschrift „Es türmt sich“ die katastrophalen Zustände im libanesischen Müllsektor, die schon 2015 zu monatelangen Protesten in der Hauptstadt geführt hatten.

Le Monde diplomatique vom 13.08.2020