11.06.2020

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Nur schlechte Nachrichten

Bei den Demonstrationen gegen Polizeigewalt, die seit dem Tod von George Floyd am 25. Mai in vielen Städten der USA stattgefunden haben, wurden mehr als 300 gewaltsame Übergriffe gegen Medienvertreter registriert. In der Regel ging die Gewalt von Ordnungskräften aus, in einigen Fällen auch von Protestierenden. Die zumeist unprovozierten Angriffe richteten sich gegen Medienleute, die sich klar identifiziert hatten. 49 Reporter oder Kameraleute wurden von der Polizei festgenommen, 192 mit Gummigeschossen, Tränengas oder Pfefferspray attackiert. In 42 Fällen wurden Kameraausrüstungen oder Übertragungswagen zerstört. Die meisten Übergriffe gab es in Minneapolis, Washington, D. C., Los Angeles, New York City, Louisville, Detroit, Denver und Philadelphia. Die folgenreichste Polizeiattacke geschah in Minneapolis, wo die Fotografin Linda Tirado von einem Gummigeschoss der Polizei getroffen wurde und ein Auge verlor. RoG hat zusammen mit 13 anderen NGOs die verantwortlichen Gouverneure und Bürgermeister aufgefordert, die Angriffe der Polizei sofort zu unterbinden und die Rechtsverletzungen der vergangenen Wochen zu dokumentieren und zu verfolgen.

In der Türkei gehen die Schikanen gegen unabhängige Medien weiter. In den vergangenen Wochen wurden Fernsehsender nach der Ausstrahlung regierungskritischer Interviews mit Sendeverboten bestraft. Das jüngste Exempel wurde an dem TV-Sender Halk TV statuiert. Nachdem ein Oppositionspolitiker in einem Interview geäußert hatte, das Land müsse mit „einem Regierungswechsel oder gar einem Regimewechsel rechnen“, belegte die Aufsichtsbehörde RTÜK die betreffende Sendung wegen „Anstiftung zum Staatsstreich“ mit einem fünftägigen Verbot. Eine andere Waffe gegen oppositionelle Medien setzt der staatliche Werberat BIK ein. Das von Erdogan kontrollierte Organ hat dieses Jahr (Stand: 1. Juni) schon 39 Zeitungen wegen „Verstößen gegen die Presseethik“ die öffentlichen Werbeaufträge entzogen. Für die meist lokalen Zeitungen kann dies den Ruin bedeuten. Auch die direkte Zensur geht ungebrochen weiter, zunehmend mithilfe der Justiz. Ein Istanbuler Richter sperrte 232 Onlineartikel, die über einen Korruptionsverdacht gegen Finanzminister Berat Albayrak, Erdogans Schwiegersohn, berichtete. Als Instrument zur Kontrolle der Medien nutzt die Regierung auch die Vergabe der Pressekarte, die seit Jahresbeginn 27 Journalistinnen und Journalisten entzogen wurde.

In Frankreich hat die Rechtspartei Les Républicains in der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Medien zwingen soll, bei ihren Fotos oder TV-Aufnahmen dafür zu sorgen, dass Polizisten und Mitglieder anderer Sicherheitskräfte „nicht identifizierbar“ sind. Verstöße gegen diese optische Zensur sollen mit einer Geldstrafe von 15 000 Euro oder einem Jahr Gefängnis geahndet werden. Das Gesetz würde die Berichterstattung über Polizeieinsätze bei öffentlichen Ereignissen und insbesondere die Dokumentation von Übergriffen der Sicherheitskräfte ­erheblich einschränken.

Le Monde diplomatique vom 11.06.2020