12.03.2020

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Schlechte Nachrichten

Seitdem die Regierung Indiens im August 2019 den Autonomiestatus des Sondergebiets Jammu und Kaschmir aufgehoben hat, gehört die Einschüchterung durch die Sicherheitskräfte zum Alltag der Medienschaffenden. Am 4. März konfiszierte die Polizei die Kameras und Telefone von zwei TV-Reportern, die in einem Dorf in der Nähe der Hauptstadt Srinagar „Sicherheitsoperation“ der Geheimpolizei NIA beobachtet hatten. Als die Journalisten Qayoom Khan von CNN-News 18 und Qisar Mir von TV9 Bharatvarsh ihre Geräte nach sechs Stunden zurückbekamen, waren alle Aufnahmen gelöscht und ihre Handydaten gefilzt. Mir war schon wenige Tage zuvor von der Polizei verprügelt worden, nachdem er eine Durchsuchungsoperation in einem anderen Dorf gefilmt hatte. Auch in diesem Fall wurden seine Kamera und sein Laptop beschlagnahmt. Ähnlich war es bereits am 16. Februar dem Lokalreporter Kamran Yusuf im Distrikt Pulwama ergangen.

In China wird die Berichterstattung über die Coronavirus-Epidemie noch immer zensiert. Doch inzwischen wird in den sozialen Medien auch immer häufiger das Ende der Zensur gefordert. Die Regierung reagiert auf diese Entwicklung mit der Anweisung, die Medien sollten mehr über den Einsatz des medizinischen Personals berichten, statt über die Leiden der Bevölkerung und die Versäumnisse der Regierung. Über den Tod des Arztes und Whistleblowers Li Wenliang, dessen Schicksal große Anteilnahme erweckt hat, durften die Onlinemedien zwar berichten, nicht jedoch über die Wut, die sein Tod ausgelöst hat.

In Griechenland richtet sich der Zorn der Wutbürger, die gegen die Aufnahme von Flüchtlingen demonstrieren, neben NGO-Mitarbeitern zunehmend auch gegen die Medien. Auf den Inseln in der Ostägäis müssen Journalistinnen und Journalisten ständig mit Bedrohungen und Übergriffen rechnen. Am 2. März wurde auf Lesbos das Auto des Fotografen Julian Busch und der Journalistin Franziska Grillmeier von Rechtsradikalen mit Steinen beworfen, als sie auf dem Weg zum Flüchtlingslager Moria waren. Laut Busch organisieren rechtsradikale Gruppen nächtliche Straßen­sperren, um gezielt die Fahrzeuge von Medienschaffenden, deren Kennzeichen sie sich beschafft haben, zu stoppen. Am 1. März hatten Rechtsextremisten das Auto des Spiegel-Journalisten Giorgos Christides angegriffen. Der Foto- und Videojournalist Michael Trammer, der Fotos von einem ankommenden Flüchtlingsboot machen wollte, wurde verprügelt und seine Kamera ins Wasser geworfen.

Inzwischen hat der öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radiosender ERT, der direkt von Regierungschef Mitsotakis kontrolliert wird, die Berichterstattung über die Situation auf den Inseln eingeschränkt. Reportagen über Zusammenstöße von Demonstranten und Polizei dürfen ohne Zustimmung der Geschäftsführung nicht mehr auf der ERT-Website erscheinen. Die Zensurschleuse wurde eingerichtet, nachdem ein Reporter einen Text über gewalttätige Konflikte auf Lesbos veröffentlicht hatte. Bislang konnten die ERT-Mitarbeiter vor Ort ihre Texte in eigener Verantwortung auf die Website stellen.

Le Monde diplomatique vom 12.03.2020