08.11.2018

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Schlechte Nachrichten

Der neue Präsident Jair Bolsonaro stellt eine ernsthafte Bedrohung der Pressefreiheit in Brasilien dar. Bereits während des Wahlkampfs hatte der rechtsradikale Kandidat durch Hassreden Journalisten und Medien eingeschüchtert. Noch sechs Tage vor seinem Wahlsieg vom 28. Oktober bezeichnete Bolsonaro in einem Videospot die Tageszeitung Folha de São Paulo als „größte Fake-News-Quelle Brasiliens” und drohte: „Wenn ich gewählt werde, wird die Regierung keinerlei Anzeigen mehr bei euch schalten.”

Zuvor hatte die Folha, eine der größten Zeitungen Brasiliens, über eine WhatsApp-Desinformationskampagne von Anhängern Bolsonaros berichtet. Demnach hat eine Gruppe von Geschäftsleuten den Versand von Millionen automatisierten Nachrichten finanziert, die Bolsonaros Gegenkandidaten Fernando Haddad von der Arbeiterpartei verunglimpften. Der WhatsApp-Account von Patrícia Campos Mello, die über die Kampagne berichtet hatte, wurde gehackt und sie und ihre Familie erhielten anonyme Drohanrufe. Ebenso erging es dem Manager eines zu Folha gehörenden Meinungsforschungsinstituts. Am 23. Oktober forderte die Zeitung vom obersten Wahlgericht die Einleitung von Ermittlungen wegen eines „orchestrierten Versuchs, die Meinungsfreiheit zu behindern”.

Die renommierte Journalistin Miriam Leitão wurde zur Zielscheibe von hunderten Posts, nachdem sie am 5. Oktober Präsident Bolsonaro als Gefahr für die Demokratie bezeichnet hatte. Auf ähnliche Weise wurden andere ­Jour­nalistinnen­ und Journalisten zum Teil auch physisch angegriffen. Eine Reporterin der Newsseite NE10 wurde von Bolsonaro-Anhängern mit Vergewaltigung bedroht.

Die Brasilianische Vereinigung für Investigativen Journalismus (ABRAJI) zählte bis zum 25. Oktober 141 Fälle von tätlichen Angriffen und Online-Attacken auf Journalisten, die im Zusammenhang mit den Wahlen standen. Allerdings gingen diese nicht nur von Gefolgsleuten des neuen Präsidenten aus. Auch Anhänger der Arbeiterpartei sollen Reporter belästigt und geschlagen haben.

Unter besonderem Druck stehen heute die Journalisten des Medienkonglomerats Record, das dem größten Sponsor Bolsonaros, dem steinreichen evangelikalen Prediger Edir Macedo, gehört. Laut einer Beschwerde der Journa­listengewerkschaft von São Paulo ­werden sie permanent bedrängt, positiv über Bolsonaro und negativ über dessen Gegenkandidaten Haddad zu berichten.

Einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung üben in Brasilien einige einflussreiche Dynastien von Großgrundbesitzern aus. Angesichts des Oligopols dieser sogenannten Colonels kann in Brasilien von einem Medienpluralismus kaum mehr die Rede sein. Zu diesem Ergebnis kam das „Media Ownership Monitor”-Projekt bereits Ende letzten Jahres. Der Report (auf Englisch) ist nachzulesen unter: brazil.mom-rsf.org/en/.

RoG führt Brasilien auf seiner Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 102 von 180 Staaten.

Le Monde diplomatique vom 08.11.2018