12.10.2012

Die Gewerkschaftskrise

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Die Gewerkschaftskrise

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Der wilde Streik in der Marikana-Mine hat die nationale Bergarbeitergewerkschaft NUM in die Bredouille gebracht. Der Tarifvertrag mit dem Minenbetreiber Lonmin sollte erst im Oktober neu ausgehandelt werden. Zum Streik aufgerufen hatte die Associated Mine and Construction Workers Union (AMCU), eine linke Abspaltung von der NUM. Mittlerweile hat sie eine Lohnerhöhung von 22 Prozent durchgesetzt, was weitere Streiks in anderen Gold- und Platinminen ausgelöst hat.

Die NUM, größte Einzelgewerkschaft innerhalb des Dachverbands Cosatu, versucht zu retten, was zu retten ist. Aber die AMCU gewinnt weiter an Boden. Der 11. Cosatu-Kongress im September verurteilte die wilden Streiks und stärkte der NUM den Rücken. Zahlreiche Schlüsselfiguren in ANC und der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP), einschließlich des heutigen Cosatu-Vorsitzenden Zwelinzima Vavi, waren früher NUM-Funktionäre. Und der frühere NUM-Vorsitzende, Cyril Ramphosa, sitzt heute sogar im Vorstand des Unternehmens Lonmin.

Die Funktionäre des Dachverbands, der erneut dem prokommunistischen Weltgewerkschaftsbund WGB beigetreten ist, erwähnen Marikana so selten wie möglich und unterstützen geschlossen die erneute Präsidentschaftskandidatur von Jacob Zuma. Damit gesteht Cosatu indirekt ein, dass die Ereignisse von Marikana eine schwere Krise für den ANC bedeuten. Und dass die Ablösung von Zuma einer Schuldzuweisung an die Adresse des ANC gleichkäme, die eine weitere Verschärfung der Krise auslösen könnte. Diese Vertuschungstaktik mag ANC-Aktivisten befrieden, die Streikwelle zeigt jedoch, wie schlecht diese Taktik bei den meisten Arbeitern ankommt.

R. W. Johnson

Le Monde diplomatique vom 12.10.2012, von R. W. Johnson