Gestern in LMd, heute in den Nachrichten
Demirtas for President
Seit November 2016 sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis in Edirne; nun hat die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) ihren ehemaligen Vorsitzenden Selahattin Demirtas als Kandidaten für die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen in der Türkei nominiert, die am 24. Juni stattfinden werden. Das ist ein starkes Signal, gerade weil man davon ausgehen kann, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) dafür sorgen wird, dass die Kandidatur des kurdischen Politikers nicht zugelassen wird. Fünf Monate vor seiner Verhaftung hatte sich Selahattin Demirtas in Le Monde diplomatique unter der Überschrift „Wir waren die Zukunft der Partei“ noch an die europäische Öffentlichkeit gerichtet.
Deinvestment
Anfang Mai gab die Allianz bekannt, dass sie aus dem Geschäft mit der Kohle aussteigt. Europas größter Versicherungskonzern wird ab sofort keine Einzelversicherungen für Kohlekraftwerke mehr abschließen. Der Druck der Umweltinitiativen hat sich gelohnt und den Kohleproduzenten wird ihr klimaschädliches Geschäft wieder ein bisschen schwerer gemacht. Im Mai 2014 erschien in Le Monde diplomatique ein Beitrag der US-amerikanischen Schriftstellerin Rebecca Solnit, der die Motive, Methoden und Erfolge der „Deinvestment“-Bewegung schildert: „In Zeiten des Ernstfalls. Warum wir Ölkonzernen und anderen Klimakillern den Geldhahn zudrehen müssen“.
Unser 1968
Eine wichtige Frage für die Revoluzzer, die vor 50 Jahren die Verhältnisse zum Tanzen brachten, war ihr Verhältnis zur Gewalt. Darüber hat der einst maoistische Achtundsechziger Christian Semler (1938–2013) im Mai 2008 selbstkritisch nachgedacht. In „Von der Empörung zur Gewalt und wieder zurück“ beschreibt Semler, „wie die 68er den Pazifismus verlernten“. Zu einem zentralen Thema der antiautoritären Bewegung, der „schwarzen Pädagogik“, schrieb Bruno Preisendörfer in LMd vom April 2010 eine skeptische Bilanz unter dem Titel „Erzieherische Gewalt“. Und in ihrem Essay „Gammler, Yuppies, Stuhlkissen“ vom November 2016 reflektierte Katharina Döbler darüber, welche Freiheitsversprechen mit den epochalen Jahreszahlen 1968 und 1989 verbunden waren.