08.03.2018

Kalter Krieg im Fernsehen

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Kalter Krieg im Fernsehen

von Serge Halimi

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In der Arte-Serie „Occupied“ soll Norwe­gen daran gehindert werden, aus der fossilen Energiegewinnung auszusteigen, im Auftrag der EU wird es von Russland besetzt. Man habe vorab die russische Botschaft in Oslo über das Projekt informiert, heißt es. Doch das Ergebnis dürfte den Russen kaum gefallen haben. In der Serie erinnern sie jedenfalls stark an die Nazis, die im Zweiten Weltkrieg tatsächlich Norwegen besetzten. Kurz bevor die zweite Staffel konzipiert wurde, hatte Russland die Krim annektiert – und die Produktionsfirma freute sich über die „Parallele zur Realität“.

Einen ähnlichen Plot hätte man auch mit China und einer Pazifikinsel, den USA und Kuba oder Frankreich und der Zentralafrikanischen Republik entwickeln können. Doch in Zeiten eines neuen Kalten Kriegs eignet sich Russland am besten für die Rolle des Bösewichts, wie sich auch an einem Arte-Themenabend gezeigt hat, an dem unter anderem die US-Doku „Putin vs. USA“ gesendet wurde.

Dem staatlich finanzierten Auslandsfernsehsender Russian Television (RT) wird zu Recht Schwarzweißmalerei vorgeworfen, doch mit dieser Doku hat Arte den umstrittenen Sender übertrumpft: „Unsere Geschichte beginnt am 31. Dezember 1999“, an dem Tag, als Boris Jelzin seine Amtsvollmachten an Wladimir Putin abgibt, „seinen zwielichtigen Ministerpräsidenten, einen ehemaligen KGB-Offizier“. Das Verhältnis zwischen dem „ehemaligen Spion“ und dem „fortschrittlichen Politiker, der versucht, in Russland die Demokratie einzuführen“, verschlechtert sich rasch: Die Presse wird auf Linie gebracht, Gegner landen im Gefängnis, der Westen wird wieder zum Feind. „Kurz vor seinem Tod sagte Jelzin seinen Vertrauten, es sei ein schwerer Fehler gewesen, Putin als seinen Nachfolger auszuwählen.“

Wagen wir an dieser Stelle ein paar kleine Korrekturen. Die Zerschlagung der russischen Wirtschaft wurde größtenteils per Präsidentendekret verfügt, und als sich die Abgeordneten Jelzins Schocktherapie widersetzten, ließ er aus allen Rohren gegen das Parlament schießen. Anschließend änderte er durch ein ­(manipuliertes) Referendum die Verfassung und sorgte für seine Wiederwahl, nachdem er zuvor ein Medienmonopol errichtet und die Wahlen gefälscht hatte.

Es folgt der Auftritt von Wladimir Putin: „Ein Offizier der Gegenspionage ist jemand, der in Verschwörungstheorien denkt, für den der Feind überall ist und eliminiert werden muss.“ Bunte Revolutionen in Georgien und der Ukraine, arabische Aufstände: „Putin weiß, dass früher oder später er an der Reihe sein wird. Man wird auch ihn stürzen. Diese Angst treibt ihn an.“ Im Übrigen schaue sich der russische Präsident immer wieder die Bilder an, wie sein „Verbündeter“ Muammar al-Gaddafi gelyncht wurde. Putin, über dessen Gedanken der Sender Arte bestens informiert zu sein scheint, fragt sich seither unaufhörlich: „Kann mir das auch passieren? Dass ich nicht nur ein Amt verliere, das mir viel bedeutet, sondern auch meine Freiheit, mein Leben?“

Daher rührt angeblich sein Wunsch nach Rache. Die Gelegenheit dazu bot sich bei den US-Wahlen 2016, als „Putins Russland die US-Demokratie ins Mark trifft“. Zu dumm, dass man es bis dahin versäumt hatte, Moskau die Stirn zu bieten – mit Leuten wie Barack Obama, die Russland so sehr fürchten, dass sie der Ukraine keine Waffen liefern wollen.

Am 18. April 1985, fünf Wochen nach Gorbatschows Amtsantritt, sendete FR3 die Dokufiktion „Den Krieg vor Augen“ über die bevorstehende Invasion der Roten Armee in Westeuropa (Norwegen hätte damals nicht genügt). Seitdem sind 33 Jahre vergangen; die meisten Warschauer-Pakt-Staaten sind ins US-Lager gewechselt, die UdSSR hat sich aufgelöst, und Russlands Militärausgaben betragen ein Zehntel der US-amerikanischen. Doch Arte bringt uns mal wieder in Erinnerung: Wer an seinen Feinden hängt, wird sie ein Leben lang nicht aufgeben.

Le Monde diplomatique vom 08.03.2018, von Serge Halimi