Vereint gegen Russland
von Serge Halimi
Wenn es gegen Russland geht, sind sich Demokraten und Republikaner in Washington einig. Sie meinen, Wladimir Putin zweifele an der Entschiedenheit der USA, ihre Bündnispartner zu verteidigen, und wolle sein autoritäres Regime vor jeglicher demokratischen und liberalen Ansteckung schützen. Deshalb habe er beschlossen, den Westen anzugreifen. Um den Frieden und die Demokratie zu sichern, entschieden sich US-Armee und Abgeordnete beider großen Parteien, zum Gegenangriff überzugehen.
Vor allem das US-Militär: Das Pentagon hat gerade eine vom Weißen Haus bestellte Studie abgeschlossen, die einen großzügigeren Einsatz von Atomwaffen empfiehlt. Im Augenblick besitzen diese Waffen noch zu große Zerstörungskraft für jeden denkbaren Einsatz und verfehlen daher ihren Abschreckungszweck. Man müsse sie also verkleinern, um gegen ein breiteres Spektrum von Bedrohungen vorgehen zu können. Dazu gehören auch „nichtnukleare“ Angriffe, wie die Zerstörung von Kommunikationsnetzen, „chemische und biologische Waffen, Cyberattacken“.
Im Jahr 2016 fragte Präsidentschaftskandidat Donald Trump, der offenbar nicht viel über die Theorie der Abschreckung wusste, einen seiner Berater: „Wozu haben wir eigentlich Atomwaffen, wenn wir sie nicht nutzen?“ Die Studie des Pentagon gibt darauf eine Antwort. Angesichts der „geopolitischen Ambitionen“ Russlands (aber auch Chinas) und Moskaus Bestreben, „die Landkarte Europas mit Gewalt zu verändern“ und „die internationale Ordnung nach Ende des Kalten Kriegs wieder infrage zu stellen“, sollten die Vereinigten Staaten schnellstmöglich eine „Modernisierung der Atomwaffen“ vornehmen, damit sie „die treuen Wächter der Freiheit“ bleiben könnten. So viel demokratische Selbstverleugnung ist unbezahlbar – oder doch: mit einer Verdreifachung des Atomwaffenbudgets.
Eine derartige Panikmache im Dienste eines neuen Rüstungswettlaufs sollte in den USA eigentlich die Opposition auf den Plan rufen. Doch das, was als Linke gilt, versteift sich seit einem Jahr darauf, Trump als Marionette Moskaus darzustellen. Man verpflichtete ihn sogar dazu, Waffen an die Ukraine zu liefern (was sein demokratischer Vorgänger noch verweigert hatte) und schärfere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Exvizepräsident Joseph Biden äußerte seine Freude darüber in einem Artikel mit dem Titel: „Wie man dem Kreml die Stirn bietet: die Demokratie gegen ihre Feinde verteidigen“.
Zur selben Zeit machten die demokratischen Senatoren im Auswärtigen Ausschuss eine Studie öffentlich, die „den asymmetrischen Angriff Putins auf die Demokratie in Russland und Europa“ analysiert. Die MSNBC-Starmoderatorin Rachel Maddow, Sprecherin der Anti-Trump-Fraktion, verkündete die Neuigkeit in noch empörterem Ton als sonst: „Unser Präsident hat nicht nur nichts unternommen, um diesen Flächenbrand zu löschen, er hat sogar zugeschaut, wie die Flammen hochschlugen!“ Sie kann ganz beruhigt sein: Das Pentagon wird auf sie aufpassen.
⇥Serge Halimi