12.01.2017

Teure Pleitebank

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Teure Pleitebank

von Ulrike Herrmann

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Es ist ein Präzedenzfall, der eigentlich niemals mehr vorkommen sollte: Wieder muss eine euro­päische Bank mit staatlichem Geld gerettet werden. Diesmal ist es die Banca Monte dei ­Pas­chi di Siena. Ihr fehlen derzeit 8,8 Milliarden Euro, und auch andere italienische Geldhäuser könnten in die Krise schlittern.

In Italien sind mehr als 16 Prozent aller Kredite ausfallgefährdet, dies sind umgerechnet etwa 360 Milliarden Euro. Allein bei den 14 größten italienischen Banken lagern rund 271 Milliarden Euro an „faulen“ Krediten. Der italienische Staat hat daher im Dezember einen Rettungsfonds beschlossen, der bisher 20 Milliarden umfasst.

Besonders katastrophal ist die Lage bei Monte dei Paschi, die 1472 in Siena gegründet wurde und die älteste Bank der Welt ist. Die Probleme sind schon länger bekannt: Bei den Stresstests der Europäischen Zentralbank (EZB) 2014 und 2016 schnitt Monte dei Paschi von 130 europäischen Banken stets am schlechtesten ab.

Die EZB hat der Bank jetzt vorgeschrieben, dass sie 8,8 Milliarden Euro an neuem Eigenkapital auftreiben muss, damit sie Verluste besser abfedern kann. Dieses Geld wird vor allem der Staat aufbringen, denn private Investoren meiden die Bank.

Konkret sieht der Plan der italienischen Regierung vor, dass 4,5 Milliarden Euro direkt vom Staat kommen, während weitere 4,2 Milliarden ein „Bail-in“ sein sollen, bei dem die Gläubiger beteiligt werden. Nachrangige Anleihen sollen also in Aktien zwangsumgewandelt werden.

Allerdings ergibt sich dabei ein soziales Pro­blem: Etwa die Hälfte dieser nachrangigen Anleihen wurde an Kleinsparer verkauft, die völlig ahnungslos dachten, dass sie in eine sichere Anlage investieren würden. Stattdessen sind sie jetzt Aktionäre einer Pleitebank. Die italie­nische Regierung will daher diesen Kleinsparern ihre Aktien wieder abkaufen und ihnen dafür erstrangige Anleihen anbieten. Dies kostet den Staat dann weitere 2 Milliarden Euro.

Monte dei Paschi wird also faktisch verstaatlicht, weil die italienische Regierung insgesamt etwa 6,5 Milliarden Euro investieren will und damit 70 Prozent des Aktienkapitals halten würde.

Eine Hürde ist allerdings noch zu nehmen: Die EU-Kommission muss diesem Plan zustimmen. Denn eigentlich ist es neuerdings verboten, dass Staaten Privatbanken retten. Stattdessen sieht die „Bankenunion“ eine „Haftungskaskade“ vor: Erst müssen die Aktionäre und Gläubiger bluten, bevor der Staat einspringt.

Die Entscheidung der EU-Kommission wird erst in zwei bis drei Monaten fallen, doch ist damit zu rechnen, dass sie den Deal absegnet. Ein Schlupfloch gibt es nämlich: In der neuen EU-Abwicklungsrichtlinie ist vorgesehen, dass Staaten den Banken beispringen dürfen, wenn es sich nur um eine „vorsorgliche Rekapitalisierung“ handelt. Damit ist gemeint, dass eine Bank eigentlich gesund ist, aber Schwierigkeiten hat, den EZB-Stresstest zu bestehen, weil dort Worst-Case-Szenarien angenommen werden.

So sehr sich das Wort „vorsorgliche Rekapitalisierung“ dehnen lässt: Selbst mit viel Fantasie gilt diese Vorschrift eigentlich nicht für eine Bank wie Monte dei Paschi, die eindeutig pleite ist. Nach den Regeln der Bankenunion müsste das Institut abgewickelt werden – zulasten der Gläubiger und nicht des Staats.

Doch auf dieses Wagnis will sich niemand in Europa einlassen. Denn Monte dei Paschi ist nicht die einzige italienische Bank, die in Schwierigkeiten ist. Würde das Geldinstitut in den Konkurs geschickt, würde sofort eine landesweite Kapitalflucht einsetzen. Auch bei anderen Banken würden viele Italiener ihre Konten räumen und ihr Finanzvermögen in Länder transferieren, die ihnen sicherer erscheinen – vorneweg Deutschland. Die EZB müsste massiv intervenieren, und am Ende wären die Kosten viel höher, als wenn Monte dei Paschi jetzt vom italienischen Staat gerettet wird.

Die italienischen Banken sind übrigens nicht in der Krise, weil sie schlecht gewirtschaftet hätten. Im Gegenteil: Von der Finanzkrise 2008 waren sie nicht betroffen, weil sie keine Ramschpapiere in den USA gekauft hatten. Aber sie leiden darunter, dass Italien in einer Dauerrezession feststeckt. In den vergangenen zehn Jahren hat das Land etwa 7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt. Zum Vergleich: In der gleichen Zeit ist die deutsche Wirtschaft um 13 Prozent gewachsen. Wäre hier die Rezession so ausgeprägt wie in Italien, wären Commerzbank und wahrscheinlich auch Deutsche Bank längst zusammengebrochen. ⇥Ulrike Herrmann

Ulrike Herrmann ist Wirtschaftskorrespondentin der taz.

© Le Monde diplomatique, Berlin

Le Monde diplomatique vom 12.01.2017, von Ulrike Herrmann