11.08.2016

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Schlechte Nachrichten

Unter dem Ausnahmezustand in der Türkei ist auch die Pressefreiheit außer Kraft gesetzt. Am 27. Juli ließ die Regierung 47 ehemalige Mitarbeiter der Zeitung Zaman (und ihrer englischen Ausgabe Today’s Zaman) verhaften, darunter auch Kolumnisten, die seit der erzwungenen Übernahme der Zeitung durch die Regierung am 4. März ohnehin entlassen waren. Der Kolumnist Sahin Alpay, der zugleich ein geachteter Politikwissenschaftler ist, wurde in Handschellen abgeführt. Zwei Tage zuvor waren bereits Haftbefehle gegen 42 andere Medienarbeiter ergangen. Zu ihnen gehörten auch Journalisten, die über Korruption und Machtmissbrauch in der Umgebung von Staatspräsident Erdogan und in den Reihen der AKP-Regierung recherchiert und berichtet hatten.

Unter den Verhafteten sind die bekannte Regierungskritikerin Nazlı Ilıcak, ehemals Sabah, und Bülent Mumay, der ehemalige Onlinechef von Hürriyet. Ein Haftbefehl erging auch gegen die Journalisten Arzu Yıldız von der Nachrichtenwebsite Haberdar. Die Aufsichtsbehörde für Telekommunikation (TIB) sperrte etwa 20 Nachrichtenwebseiten mit der Begründung, sie hätten „die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdet“. Auch im staatlichen Sender TRT wurde eine Säuberungswelle eingeleitet. Mehrere hundert Mitarbeiter wurden suspendiert, nachdem die Staatsanwaltschaft Ankara Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung eingeleitet hatte. Bei einigen wurde die Suspendierung nach „Klärung“ der Vorwürfe wieder aufgehoben.

In Brasilien wurde kurz vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro der Journalist João Miranda do Carmo ermordet. Der 54 Jahre alte Betreiber und Chefredakteur der Webseite SAD Sem Censura („Unzensiert“) aus der Kleinstadt Santo Antônio do Descoberto wurde am 24. Juli von Unbekannten vor seinem Haus erschossen. Die Täter entkamen unerkannt. Carmo hatte der Polizei zuvor Drohungen gemeldet, die sich auf seine journalistischen Arbeit bezogen. Auf seiner Webseite waren mehrfach Berichte über Korruption und Misswirtschaft in den lokalen Behörden erschienen. Carmo ist der dritte kritische Journalist, der seit März 2016 in Brasi­lien ermordet wurde. Am 9. April war der Blogger Manoel Messias Pereira und am 10. März der Radiomoderator Valdecir de Borba erschossen worden.

Am 20. Juli wurde in der Ukraine ein prominenter Journalist ermordet. Pawel Scheremet wurde das Opfer einer Bombe, die unter dem Fahrersitz seines Autos explodierte. Da das Auto seiner Partnerin Olena Prytula gehört, ist unklar, wem der Mordanschlag gegolten hat. Prytula ist Betreiberin der Nachrichtenwebseite Ukrainska Prawda, die für ihre investigative Reportagen über Korruptionsfälle bekannt ist. Scheremet arbeitete für diese Webseite wie für den Kiewer Sender Radio Vesti. Der gebürtige Weißrusse hatte seine journalistische Karriere in seiner Heimat als Kritiker des Lukaschenko-Regimes begonnen und anschließend in Moskau für den Staatssender RSF gearbeitet, bis er seinen Posten aus Protest gegen die Annexion der Krim verließ. Die Onlinezeitung Ukrainska Prawda ist in der Ukraine seit der Ära Kutschma als unabhängiges und kritisches Medium bekannt, das sich für die Demokratiebewegung engagierte. Ihr Gründer Heor­hij Gongadse war 2000 entführt und umgebracht worden.

Le Monde diplomatique vom 11.08.2016