Kreisrunde Inseln in der Wüste
von Pierre Daum
Vier Fünftel der Fläche Algeriens ist Wüste, ein Gebiet, das mehr als fünfmal so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland. Der Ehrgeiz, diese Riesenfläche zu nutzen, um die Grundbedürfnisse der Menschen zu befriedigen, ist nicht neu, vor allem, seit durch die demografische Entwicklung und das Wachstum der Städte im Norden viel Agrarland verloren gegangen ist.
In Biskra, das heute als wichtigste Pionierregion der Sahara-Landwirtschaft gilt, tauchten Anfang der 1980er Jahre die ersten Gewächshäuser auf, doch der eigentliche Boom setzte erst in den 1990er Jahren ein. Den Anfang machten 1987 zwei Pilotprojekte in Gassi Touil in der Region von Adrar, 1500 Kilometer südlich von Oran.
Dort wurden auf einer Fläche von 32 000 Hektar mit Unterstützung US-amerikanischer Ingenieure Weizen, Alfalfa und Erdnüsse angebaut. Jede der 50 Hektar großen Parzellen wurde über ein mit Löchern versehenes Metallrohr bewässert, das an einem Drehpfeiler befestigt war und sich im Kreis drehte. Aus der Luft betrachtet, wirkt die Anlage wie ein Wunder: Inmitten der endlosen Weite aus Sand und Stein leuchten Dutzende sattgrüne Kreise. Damit war der „Mythos von der Entwicklung der Sahara-Landwirtschaft“ geboren, ermöglicht durch US-amerikanische und saudische Technologie. Doch der Getreideanbau in Adrar gilt inzwischen als Misserfolg – und als ökologischer Irrweg.
In den 2000er Jahren wurde – wie anderswo auf der Welt auch – die bis dahin staatlich verwaltete Landwirtschaft teilprivatisiert. Heute bilden Privatunternehmen das Herzstück des Produktionsprozesses, wobei der Staat durch Subventionen und Infrastruktur wichtige Unterstützung liefert.
Die meisten Getreidefelder in Adrar liegen mittlerweile brach, doch an anderen Stellen in der Sahara geht der Getreideanbau weiter. Erst vor Kurzem wurden wieder zehn rotierende Bewässerungsanlagen aus Saudi-Arabien importiert und in Ghardaia, 600 Kilometer südlich von Algier, installiert. Denn Algerien hat seine Probleme bei der Nahrungsmittelversorgung nach wie vor nicht gelöst. Das Land ist der weltweit größte Importeur von Weizen, der sowohl als Tierfutter als auch für die beiden wichtigsten Nahrungsmittel gebraucht wird: Couscous und Brot.
Seit etwa zehn Jahren hat auch die Souf-Region um die Oasenstadt El Oued, 630 Kilometer südöstlich von Algier, den Anbau auf kreisrunden Feldern mit rotierenden Bewässerungssystemen wiederaufgenommen, allerdings mit viel kleineren, selbst gebauten Anlagen. Hier wird kein Getreide angebaut, sondern Kartoffeln. Die Gegend ist mittlerweile der wichtigste Kartoffelproduzent des Landes und hat damit die Region um Maskara im Westen abgelöst.
In den 1980er Jahren, lange vor dem Kartoffelanbau, hatten sich in der Gegend um El Oued als Folge großer Bohrungen, die die Wasserversorgung der Haushalte sicherstellen sollten, zahlreiche Abwassertümpel gebildet. Tausende Dattelpalmen, die dort seit Jahrhunderten in riesigen, zwischen den Dünen ausgehobenen Senken wuchsen, gingen damals ein. Trotz umfangreicher Arbeiten zur Abwasseraufbereitung besteht das Problem weiter, inzwischen verschärft durch den intensiven Kartoffelanbau. So droht die einst wunderschöne Oasenstadt El Oued ausgerechnet an ihrem Überfluss an Wasser zugrunde zu gehen.
Im Wadi Rhir, eine Autostunde westlich von El Oued – einer Gegend, die seit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft landwirtschaftlich genutzt wird –, ist die Situation nicht besser: Das Grundwasser ist hier 70 Grad heiß und für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet, weil es zunächst abgekühlt werden muss. Zudem lässt sein hoher Anteil an Kalk und Mineralien die Leitungsrohre schnell verkalken und den Boden schnell verkrusten. ⇥Pierre Daum.