11.02.2016

Extrastarke Männer

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Extrastarke Männer

von Serge Halimi

Kürzlich fand Wladimir Putin lobende Worte für Donald Trump. Er bezeichnete ihn als „sehr talentierten Mann“ und „Favoriten im Präsidentschaftsrennen“. Dieser wies die Komplimente nicht zurück, obwohl sie ihm in seiner Partei eher schaden könnten. Denn viele Neokonservative, die es unter den US-Republikanern bekanntlich zuhauf gibt, sind sich nicht ganz sicher, ob sie Russland oder den Iran mehr verabscheuen. Trump entgegnete ebenso herzlich, dass Putin „ein tatkräftiger Führer“ sei. Falls er US-Präsident werden sollte, würden er und Putin sicher gut miteinander auskommen. Eine Gemeinsamkeit hätten sie ja schon, triumphierte Trump: „Putin mag Obama gar nicht.“

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Normalerweise sind für Staatschefs die nationalen Interessen wichtiger als Sympa­thien. Aber wenn die Weltwirtschaft aus dem Ruder läuft, der Ölpreis abstürzt und tödliche Attentate zunehmen, dann sollte es uns weder erstaunen noch gleichgültig lassen, dass der Autoritarismus und dessen Protagonisten die Szene beherrschen. Sie stehen für die Rückkehr zu Patriotismus, nationalen Mythen und alten Moralvorstellungen. Sie sprechen mit erhobener Stimme, spannen ihre Muskeln an und senden Truppen aus. Für Intellektuelle und Wissenschaftler und deren „politische Korrektheit“ haben sie nur Verachtung übrig.

Ungarns Ministerpräsident Victor ­Orbán profitiert vom Bau eines Stahlzauns entlang der Grenze zu ­Serbien und Kroatien; die Annexion der Krim hat Putins Macht gefestigt; und die mörderische Unterdrückung der Kurden stärkt den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Wenn Donald Trump die Wiedereinführung der Folter empfiehlt oder sein Konkurrent Ted Cruz fordert, anstelle der gezielten „Luftschläge“ gegen den IS alle von der Terrormiliz kontrollierten Gebiete und die dort lebenden Zivilisten mit einem „Bombenteppich“ zu überziehen, steigen ihre Popularitätswerte.

Womöglich ist das auch der Grund, warum französische Politiker „entschiedene Antworten“ fordern, der Polizei immer mehr Befugnisse einräumen und mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit Dutzende Enthauptungen von Oppositionellen in Saudi-Arabien hinnehmen.

Der Glaube an das Versprechen von Frieden und Wohlstand in der kapitalistischen Moderne war schon vor der Finanzkrise erschüttert. Jetzt sind ihre Kultur, ihre Geisteshaltung, ihre Staatenlenker mitsamt ihrer verlogenen Höflichkeit dran. Die „glückliche Globalisierung“ sollte vernünftig, weltumspannend und verbindend sein. Ihr Scheitern ebnet den Weg für Wutbürger und Kriegsherren.

Serge Halimi

Le Monde diplomatique vom 11.02.2016, von Serge Halimi