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Debatte in Tschechien
Durch seine Äußerungen zur Vertreibung der Deutschen hat der konservative Außenminister Karel Schwarzenberg die Diskussion über die Nationalitätenpolitik der Tschechoslowakei nach 1945 neu angestoßen. Schwarzenberg unterlag in der Stichwahl vom 26. Januar dem sozialdemokratischen Kandidaten Milos Zeman. Mit 45 Prozent der Stimmen schnitt er jedoch weit besser ab, als nach seinen Äußerungen über die Benes-Dekrete zu erwarten war, die für ihn im Rückblick eine „grobe Verletzung der Menschenrechte“ waren.
Was Schwarzenberg damit meinte, wurde in der deutschen Presse nicht immer präzise übermittelt. Seine Kritik galt dem „Prinzip der Kollektivschuld“, das nicht berücksichtigt habe, „ob jemand loyal gegenüber der Republik war oder sich gegen sie schuldig gemacht hat“. Er thematisiert damit das Schicksal der Bürger deutscher Nationalität, die 1938 für ihren Staat eingetreten waren: als aktive Nazigegner oder auch durch ihren Dienst in der tschechoslowakischen Armee. Dieser loyalen Tschechoslowaken, unter denen viele deutschsprachige Juden waren, wird in einem Text gedacht, der im März 2010 in Le Monde diplomatique zu lesen war. In „Gehen, kommen und nicht bleiben dürfen“ erinnert Irene Bruegel an das Schicksal ihrer Eltern und anderer Sozialisten und Sozialdemokraten vor und nach 1945.
Das andere BIP im Bundestag
Die Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestags hat ein Ergebnis vorgelegt, das so unbefriedigend ist wie sein Titel „Wohlstandsindikatorenansatz“. Das Konzept von CDU, SPD und FDP beruht nach wie vor auf dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), das lediglich durch andere „Leitindikatoren“ ergänzt wird, die etwa die Einkommensverteilung, die Beschäftigung, das Bildungssystem und die Gesundheitsversorgung abbilden. Alternative Modelle formulierten die Grünen und die Linke, die stärker auf die ökologische Belastung und die soziale Qualität der Gesellschaft abheben. Worum es bei der Debatte über das alternative BIP geht, erfährt man aus dem Text „Indikatoren des Glücks“, der im Juli 2010 in Le Monde diplomatique erschienen ist. Die Soziologen Hans Diefenbacher und Roland Zieschank plädieren für einen „Nationalen Wohlstandsindex“, der sowohl ökologisch fundiert ist als auch Lehren aus der Finanzmarktkrise zieht.