10.05.2013

gestern in LMd heute in den Nachrichten

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Ganz normal

Quer durch die Medien wird das Buch „Normal“ von Allen Frances diskutiert, in dem der US-amerikanische Psychiater gegen „die Inflation psychiatrischer Diagnosen“ wettert. Der 70-jährige Frances wirft seiner beruflichen Zunft vor, dafür gesorgt zu haben, dass mittlerweile „ein absurd hoher Anteil unserer Bevölkerung“ auf pharmazeutische Drogen– von Antidepressiva bis zu Schlafmitteln – angewiesen ist. Damit gibt er ein bemerkenswertes Beispiel von Selbstkritik, denn er selbst hat während seines Berufslebens als bezahlter Redner für zahlreiche Produkte der Pharmaindustrie geworben. Dass mittlerweile die ärztlich verordneten Psychopharmaka den größten Posten im US-Gesundheitssystem ausmachen, hat Olivier Appaix bereits vor einiger Zeit in der Le Monde diplomatique aufgezeigt. Unter dem Titel „Schädliche kleine Helfer“ ging er im März 2012 der Frage nach, warum es in den USA „immer mehr Medikamente gegen immer mehr Zustände“ gibt.

Guantánamo

Im Offshore-Gefängnis von Guantanamo Bay befinden sich inzwischen mehr als hundert Häftlinge im Hungerstreik. Das Schicksal der „außergerichtlich“ zu lebenslanger Haft Verurteilten, das die internationalen Medien schon länger beschäftigt, wird damit zum innenpolitischen Thema auch in den USA. Der ehemalige Militärankläger Morris Davis hat eine Petition an Präsident Obama formuliert, die bereits 150 000 US-Bürger unterschrieben haben. Die Menschenrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU), aber auch wichtige Printmedien unterstützen die Kampagne. Damit gerät Präsident Obama, der die Schließung von Guantánamo schon im Wahlkampf 2008 zugesagt hat, immer stärker unter Druck. Warum Obama sein Versprechen nicht einhält, hat der New Yorker Anwalt und Autor Chase Madar in Le Monde diplomatique vom Oktober 2012 erklärt: „USA – Sicherheit im Land der Freien“. Derselbe Autor hat bereits im August 2010 die rechtliche Misshandlung der Guantánamo-Gefangenen am Beispiel des jungen Afghanen Omar Khadr geschildert. Die Reportage ist heute noch so aktuell wie ihr Titel: „Der lange Abschied von Guantánamo“.

Le Monde diplomatique vom 10.05.2013