Die letzten Tropfen sind kostspielig
Warum nicht unterirdisch eine Atombombe zünden, um das zähe Bitumen aus dem Sand verflüssigen und fördern zu können? Um 1950 gab es tatsächlich ein paar Ölversessene, die mit diesem Gedanken spielten. Aber stattdessen holzte man doch lieber den Wald ab, trocknete die Sümpfe aus, baggerte den Sand aus und spülte ihn mit reichlich Wasser.
1967 nahm die amerikanische Suncor die ersten Förderanlagen in Betrieb – und produzierte 30 Jahre lang das teuerste Öl der Welt. Ende 1990 machten technische Fortschritte und der steigende Ölpreis das Verfahren erstmals rentabel. Als Kanada 2003 seine förderbaren Reserven auf 173 Milliarden Barrel festschrieb, katapultierte es sich in der Rangliste der Länder mit den größten Ölvorkommen auf Platz 2 gleich hinter Saudi-Arabien.
Kanadas Ölsand war ein unverhoffter Segen für US-Präsident George W. Bush, der sich vorgenommen hatte, die Erdölabhängigkeit der USA von feindlichen Regimes um 75 Prozent zu senken. Vor allem um den Bedarf des Verteidigungsministeriums zu sichern, definierte er 2005 eine Energiestrategie für das 21. Jahrhundert, die auf nichtkonventionellen Kohlenwasserstoffen beruhte – auch denen von Alberta.
Der Ministerpräsident von Kanada, der aus Alberta stammende Stephen Harper, Sohn eines Managers von Imperial Oil, rühmte sich damals, eine „aufstrebende Energie-Supermacht“ zu führen. Gleich nach seiner Wahl beschlossen beide Länder, die Produktion von Ölsand auf 5 Millionen Barrel pro Tag zu steigern, um so bis 2025 ein Viertel des Bedarfs der USA zu decken.
Mehr als 65 Prozent des Erdöls aus Alberta geht in die Vereinigten Staaten, ein Anteil, der aufgrund einer Klausel des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) niemals sinken wird. Trotz einiger Kritik aus den Reihen der Demokraten hat Barack Obama nichts daran geändert. Harper seinerseits erinnert gern an sein Faible für den Freihandel und an das Interesse Chinas, das 2009 bereits 1,9 Milliarden kanadische Dollar in die kanadische Ölproduktion investiert hat. Die großen Ölkonzerne aus den USA, Europa oder Asien haben allerdings schon mehr als 200 Milliarden Dollar in den Ölsand gesetzt.