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Glaubwürdig wie Papageien
Alle dürfen sagen und schreiben, was sie wollen, zumal über die USA. In weniger als sechs Monaten machte die öffentliche Meinung das Land vom auferstandenen Phönix (wirtschaftliche Erholung, Energie-Autarkie dank Fracking, mächtige Computerkonzerne, Wiedergeburt der Automobilindustrie) zu einem Imperium im Niedergang, das durch das unentschlossene Auftreten seines Präsidenten zusätzlich geschwächt werde.
Inzwischen ist das Gerede über die amerikanische Machtlosigkeit fast schon zu einer kleinen Industrie geworden. Im Falle Syriens habe Präsident Obama seinem Land geschadet, weil er – anders als Paris und einige geniale Strategen gehofft hatten (siehe Olivier Zajec auf Seite 6) – keine weitere Militäraktion gegen einen arabischen Staat anfangen wollte. Der Begriff, den alle Papageien wiederholten, heißt Glaubwürdigkeit.
Blicken wir zurück. Der Vietnamkrieg wurde von John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson unter dem Vorwand beschlossen, den sowjetischen oder chinesischen Kommunisten dürfe kein weiterer „Dominostein“ in den Schoß fallen. Für die Vereinigten Staaten sei das eine Frage der Glaubwürdigkeit. Zwei Millionen Menschen in Indochina starben, und vier Jahre nach der Niederlage Washingtons marschierte die Armee der Volksrepublik China in Vietnam ein.
Der von George W. Bush angezettelte Irakkrieg sollte ein Regime bestrafen, das der damalige US-Präsident in seiner Rede an die Nation – neben Iran und Nordkorea – zur „Achse des Bösen“ gezählt hatte. Für die USA sei das eine Frage der Glaubwürdigkeit. Heute ist der Irak ein zerstörtes Land. Die neue Staatsmacht, von US-Soldaten in Bagdad eingesetzt, stand Teheran nie so nah wie heute.
„Ich bin nicht gegen jeden Krieg, aber ich bin gegen einen dummen Krieg“, erklärte im Oktober 2002 ein junger Senator namens Barack Obama, der sich dem Irak-Abenteuer seines Landes widersetzte. Als Präsident intensivierte er dann allerdings den „dummen Krieg“ in Afghanistan, ehe er zum Rückzug blasen musste.
In Sachen Syrien wird er heute von den Kriegstreibern aufgefordert, seine Meinung zu ändern. Er soll unter Verletzung des internationalen Rechts und ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats zu Gewaltmitteln greifen, den US-Kongress übergehen, sich ihm sogar widersetzen, falls die Abgeordneten dagegen sein sollten, und eine Militäroperation durchführen. Dabei hätte er sehr viel weniger Verbündete an seiner Seite als Bush vor zehn Jahren mit seiner „Koalition der Willigen“.
Der US-Präsident wurde sogar aufgefordert, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, obwohl die Mehrheit der Bürger dagegen war und manch einer gar fürchtete, die US-Armee könnte in Syrien zur „Luftwaffe al-Qaidas“ werden, wie Dennis Kucinich, der ehemalige demokratische Kongressabgeordnete aus Ohio, formulierte.
Obama hat gezögert. Dann hat er offenbar eingesehen, dass seine Glaubwürdigkeit die Ablehnung eines neuen „dummen Kriegs“ im Nahen Osten ohne Schaden überstehen wird. Serge Halimi