10.01.2014

REPORTER OHNE GRENZEN FÜR PRESSEFREIHEIT Meldungen des Monats

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Nur schlechte Nachrichten

Am 24. Dezember wurde in der Ukraine eine der mutigsten Journalistinnen des Landes attackiert und schwer verletzt. Wenige Stunden nachdem Tatjana Tschornowil auf ihrem Blog einen Bericht über die Luxusvilla des ukrainischen Innenministers Witali Sachartschenko veröffentlicht hatte, wurde sie in Kiew von einem SUV gestoppt. Drei Männer zerrten sie aus ihrem Auto, schlugen sie brutal zusammen und ließen sie im Straßengraben liegen. Mit schweren Prellungen und Knochenbrüchen im Gesicht wurde sie in ein Krankenhaus eingeliefert und musste mehrfach operiert werden. Tatjana Tschornowil arbeitet für die Tageszeitung Ukrainskaja Prawda, ist aber auch in der „Euromaidan“-Protestbewegung sehr aktiv. Die Demonstranten in Kiew forderten nach dem Überfall auf die Journalistin den Rücktritt des Innenministers. Die Polizei erklärte, man ermittle wegen „Rowdytums“ und habe drei Verdächtige festgenommen. Die ukrainische NGO „Institut für Masseninformation“ hat im Jahr 2013 insgesamt 103 physische Angriffe auf Journalisten registriert.

Am 29. Dezember 2013 wurden in Ägypten vier Journalisten festgenommen, die für den TV-Sender al-Dschasira arbeiten: der Kairoer Büroleiter Mohammed Adel Fahmy (der außer der ägyptischen auch die kanadische Staatsbürgerschaft hat), der australische Reporter Peter Greste, der ägyptische Kameramann Mohammed Fawzi und ein weiterer ägyptischer Mitarbeiter. Nach Auskunft des Innenministeriums wird ihnen vorgeworfen, „die nationale Sicherheit zu gefährden“, zudem habe man bei ihnen „Publikationen“ der Muslimbrüder gefunden. Der zweite Vorwurf hängt offensichtlich damit zusammen, dass die Regierung die Muslimbrüder am 25. Dezember auf ihre Liste terroristischer Organisationen gesetzt hat. Von Fahmy, der früher für CNN gearbeitet hat, wie von dem früheren BBC-Reporter Greste sind keinerlei Verbindungen zu den Muslimbrüdern bekannt. Die ägyptischen Behörden unterstellen jedoch al-Dschasira allgemein eine Nähe zur Muslimbruderschaft. Zwei weitere Mitarbeiter des Senders, Mohammed Badr und Abdullah al-Shami, sind bereits seit Sommer 2013 in Haft.

In Bahrain wurde am 26. Dezember der Fotojournalist Ahmed al-Fardan festgenommen. Der preisgekrönte Fotograf, der auch für die italienische Fotoagentur Nurphoto arbeitet, befindet sich nach wie vor im Dry-Dock-Gefängnis, ohne dass Anklage gegen ihn erhoben wurde. Al-Fardan war Anfang August 2013 schon einmal festgenommen und misshandelt worden. Damals wollte man ihn zwingen, Fotos von Demonstranten an die Behörden herauszugeben. Al-Fardan kämpft bereits seit Dezember 2012 für die Freilassung seines Fotografenkollegen Ahmed Humaidan, der unter der Anklage verhaftet wurde, eine Polizeistation in Sitra angegriffen zu haben – an einem Tag, an dem er ganz woanders war. In Bahrain sitzen derzeit fünf Fotojournalisten in Haft.

Mit Bahrain hat eine weitere schlechte Nachricht zu tun: Am 20. Dezember 2013 verwarf die deutsche Nationale Kontaktstelle (NKS) der OECD eine Beschwerde gegen die Münchner Überwachungstechnologie-Firma Trovicor GmbH in ihren zentralen Punkten. Die Beschwerde war von Reporter ohne Grenzen zusammen mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Privacy International, dem Bahrain Center for Human Rights und Bahrain Watch eingereicht worden. Sie werfen Trovicor eine Mitverantwortung für die Festnahme, Verhaftung und Folter von Oppositionellen und Dissidenten in Bahrain vor. Für das beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelte NKS sind die Vorwürfe, der bahrainische Geheimdienst habe Oppositionelle und Journalisten mithilfe von Trovicor-Technik überwacht und verfolgt, nicht ausreichend belegt. Die beschwerdeführenden Gruppen wollen nun prüfen, ob man auf anderem Wege gegen die Firma vorgehen kann (zur Rolle von Trovicor: www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/rte/docs/2013/OECD-Hintergrundpapier_DE_final.pdf).

Le Monde diplomatique vom 10.01.2014