14.03.2014

Neue Konkurrenz

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Neue Konkurrenz

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Mit der Reform der Energiepolitik setzt Präsident Peña Nieto den von seinem Amtskollegen Carlos Salinas zwischen 1989 und 1994 eingeschlagenen Weg fort. Damals wurde ein großer Teil der Staatsbetriebe privatisiert und das nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) mit den USA und Kanada abgeschlossen. Das Abkommen öffnete Mexiko für Waren, Dienstleistungen und Investitionen der nördlichen Nachbarn und führte zu schweren Einbrüchen im Agrarsektor und in der einheimischen Industrie. Eine große Ausnahme gab es lediglich in der Zulieferindustrie und der ausgelagerten Fertigungsindustrie für ausländische Großkonzerne. Der einzige Wirtschaftsbereich, der noch zu „befreien“ war, blieb der Energiesektor. Wenn nun die Ende 2013 beschlossene Energiereform umgesetzt wird, ist auch das erledigt.

Die Errungenschaften der mexikanischen Revolution sind damit völlig in Vergessenheit geraten: die Verstaatlichung der Ölvorkommen im Jahr 1938 und der Stromerzeugung im Jahr 1960; die Subventionen für Benzin, Gas und Elektrizität; und die großen Infrastrukturmaßnahmen des Staates. Theoretisch bleiben Öl und Gas „staatliches Eigentum“ und der Ölkonzern Pemex sowie der Stromerzeuger CFE (Comisión Federal de Electricidad) staatliche Unternehmen. Doch fortan wird ein bedeutender Teil der Einnahmen aus Öl, Gas und Strom dem Staat entgehen.

Denn um neue Öl- und Schiefergasvorkommen auszubeuten, kann Pemex, das unter der Federführung einer Regierungsbehörde die künftige Strategie im Energiesektor festlegen soll, nun private mexikanische Firmen oder multinationale Konzerne ins Boot nehmen. Diese Zusammenarbeit kann auf zwei Arten erfolgen: Entweder die Risiken und Einkünfte werden mit den privaten Investoren geteilt, oder die Prospektions- und Förderlizenzen werden anderen Firmen übertragen (die dem Staat einen Anteil an ihren Einkünften überweisen, aber im Besitz der Öl- und Gasvorkommen bleiben). Letzten Endes verliert dabei der Staat einen Teil seines Vermögens. Im Bereich der Petrochemie, des Brennstofftransports und der Stromerzeugung werden neue private Firmen in direkte Konkurrenz zu den Staatsunternehmen treten und den gesamten Mehrwert ihrer Produkte ohne jede Beteiligung des Staates abschöpfen.

Die Verabschiedung der Reform sei ein Sieg für Mexiko, versicherte Peña Nieto, denn sie werde das schwache Wirtschaftswachstum (etwa 1 Prozent im Jahr 2013, im Vergleich zu 2,3 Prozent in Brasilien) ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen: bei der Stromerzeugung ebenso wie bei den Ölbohrungen in der Tiefsee, bei der Schiefergasförderung und in den Bergwerken; sie werde die Energiepreise für die Verbraucher senken und die Armut verringern, von der 45 Prozent der Bevölkerung betroffen sind.

Die US-Presse freut sich indes über den Zugang zu neuen Energiequellen, und, so der Rechtsberater einer großen texanischen Ölfirma, Dallas Parker, in der Los Angeles Times vom 11. Dezember 2013: „Russland und der Nahe Osten verfolgen die Situation sehr genau. Ihre absolute Kontrolle des Öl- und Gasmarkts ist nun ernsthaft bedroht.“ J.-F. B.

Le Monde diplomatique vom 14.03.2014, von J.-F. B.