15.09.2006

USA Patriot Act

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USA Patriot Act

Die wichtigsten Bestimmungen des USA Patriot Act, der sieben Wochen nach dem 11. September 2001 vom US-Kongress verabschiedet wurde, hat der „Patriot Improvement and Reauthorization Act“ vom 9. März 2006 bestätigt. Viele Artikel des Gesetzes verstümmeln grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien, insbesondere das Recht auf Privatsphäre wird fast gänzlich ausgehöhlt.

Artikel 206 erlaubt dem FBI weiträumige Abhöroperationen: Bei einer verdächtigen Person darf die ganze Nachbarschaft und Verwandtschaft abgehört werden (die sogenannten „nomad“ connections), ohne dass der Name der Verdächtigen genannt werden muss. Damit kann der FBI im Grunde jeden Bürger belauschen, ohne eine Verbindung zu terroristischen oder kriminellen Aktivitäten zu belegen oder auch nur zu behaupten.

Artikel 213 erlaubt, die Privatsphäre mit neuesten technischen Mitteln zu durchschnüffeln („sneak and peek“-Paragraf). So kann die Wohnung oder das Büro eines Verdächtigen auch in dessen Abwesenheit durchsucht werden, damit FBI-Agenten zum Beispiel Fotos machen und Computerfestplatten kopieren können. Legalisiert ist auch die Installation einer Computerwanze namens „Magic Lantern“, die über den Internetverkehr hinaus alle auf dem PC vollzogenen Operationen aufzeichnet und nach außen überträgt.

Nach Artikel 214 braucht das FBI keine richterliche Ermächtigung mehr, um die Daten aller Telefonverbindungen einer verdächtigten Person zu erlangen. Die Polizei muss lediglich erklären, dass sich die gewünschten Informationen auf Ermittlungen in Sachen Terrorismus „beziehen“. Damit wird eine Bestimmung, die zuvor nur für Spione im Dienste einer ausländischen Macht galt, potenziell auf alle US-Bürger ausgedehnt.

Nach dem neuen Recht sind die Inhalte von Telefongesprächen zwar noch geschützt, das gilt allerdings nicht für den E-Mail-Verkehr. Für den gewährt Artikel 216 dem FBI praktisch einen Blankoscheck: Sobald die Bundespolizei eine E-Mail als „sachdienlich“ für seine Ermittlungen deklariert, kann sie geöffnet und inhaltlich ausgewertet werden.

Berühmt wurde der Artikel 215, wonach das FBI durch geheimen Beschluss eines Gerichts ermächtigt werden kann, „alle habhaften Daten“, von medizinischen Akten über Bankauszüge bis hin zu Ausleihdaten von Bibliotheken, zu erlangen. Theoretisch können diese Beschlüsse nach einem Jahr angefochten werden, aber diese Möglichkeit bleibt abstrakt, weil der Artikel zugleich jede Enthüllung über die Weitergabe der Daten unter Strafandrohung stellt. Das Instrument, das solche Ermittlungen hinter dem Rücken der Verdächtigen ermöglicht, ist der „National Security Letter“, den die Regierung ausstellen kann. Nach Artikel 505 kann das FBI bei Vorlage eines solchen „Datenhaftbefehls“ bei allen öffentlichen und privaten Institutionen Angaben über die bezeichnete Person einfordern, ohne auch nur ein Verdachtsmoment zu nennen. Seit dem 11. September 2001 hat die Bush-Regierung pro Jahr etwa 30 000 dieser National Security Letters ausgestellt.

Bei allen Einschränkungen der bürgerlichen Rechte ist die Möglichkeit der richterlichen Kontrolle durch den Patriot Act extrem erschwert. Der Versuch der Bush-Administration, so gut wie jede richterliche Kontrolle auszuschalten, wurde jedoch im US-Senat gestoppt. Die korrigierte Version des Patriot Act vom März 2006 belässt den Betroffenen begrenzte Berufungsmöglichkeiten. Zudem wurde die Gültigkeit der umstrittensten Bestimmungen des Gesetzes zunächst nur um vier Jahre verlängert. Der juristischen Form nach stellt das Gesetz damit eine Art – beliebig verlängerbares – Ausnahmerecht dar, etabliert aber noch keine dauerhafte Diktatur der Exekutive.

Jean-Claude Paye

Le Monde diplomatique vom 15.09.2006, von Jean-Claude Paye