15.12.1995

Krieg auf Bougainville

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Krieg auf Bougainville

FAST sieben Jahre, nachdem die Revolutionäre Armee von Bougainville (BRA) zur Sezession aufgerufen hat, wurden erste Schritte zu einer erneuten Integration der Insel unternommen; doch die Probleme dauern an. Die Rebellen halten das Zentrum der Provinz, wo auch die wichtige Kupfermine von Panggoe liegt, nach wie vor. Als Sir Chan am 30. August 1994 erneut zum Premierminister gewählt wurde, widerrief er die „rein militärische“ Politik seines Vorgängers Wingti und traf mit Sam Kauona, dem militärischen Chef der BRA, auf den Salomon- Inseln zusammen. Von diesem Archipel war Bougainville im Laufe der Kolonisierung abgetrennt worden, dem es geographisch und kulturell jedoch nach wie vor zugehört. Im Gegenzug zur Aufhebung des Embargos, das Port Moresby 1990 verhängt hatte, und zur Aufnahme einer „Friedenskonferenz“ haben beide Männer einen Waffenstillstand vereinbart.

Die Konferenz wurde am 10. Oktober 1995 in Arawa, dem ehemaligen Hauptort der Insel eröffnet, allerdings in Abwesenheit von BRA-Chef Francis Ona. Ona war niemals bereit, sich mit einem Vertreter der Gegenseite zu treffen, seit er 1987 die Spitze der Vereinigung der Grundbesitzer von Panggoe übernommen hatte. Diese hatte von den australischen Eigentümern der Mine 15 Jahre nach Aufnahme der Produktion eine Entschädigung in Höhe von mehreren Milliarden Dollar verlangt.

Ein Mißerfolg war die Konferenz für Sir Chan dennoch nicht, denn die Unnachgiebigkeit von Ona hat zu einer wichtigen „Bekehrung“ beigetragen: Theodore Miriung, ehemals Richter am Gerichtshof von Papua-Neuguinea und inzwischen juristischer Berater der BRA, hat sich im Gefolge von Arawa dafür entschieden, in Friedensverhandlungen einzutreten. „Der überzeugte Separatist hat erkannt, daß im Interesse der Menschen nur eine Zukunft innerhalb Papua-Neuguineas vorstellbar ist“, erklärt Sean Dorney, Autor des Standardwerkes „Papua-Neuguinea“1.

Miriung wurde mit Billigung von Port Moresby zum Vorsitzenden einer Übergangsregierung, die ein offenes Ohr für die „lebendigen Kräfte“ der Insel hat. Als sein Ziel deklarierte er die „vollständige Autonomie der Provinz, knapp unterhalb der Unabhängigkeit“. Kaum im Amt, rief er die Amnestie für einen Krieg aus, der Hunderte von Opfern gefordert und zu Gewalttätigkeiten seitens der BRA wie auch der Streitkräfte Papua-Neuguineas und der mit ihnen kämpfenden Milizen des Widerstands geführt hatte. Die Übergangsregierung soll zudem der Wirtschaft, die durch den Krieg stark gelitten hat, wieder auf die Beine helfen.

Die Rebellen, denen 4 von 32 Sitzen angeboten wurden, haben sich an der Regierungsbildung nicht beteiligt. Die Grenzen des Dialogs sind damit klar geworden. Für die Regierung in Port Moresby hat er dennoch etwas gebracht, denn die der BRA opponierenden Kräfte kontrollieren inzwischen 90 Prozent des Territoriums und genießen die wachsende Zustimmung der Bevölkerung (170000 Einwohner), die zwar „separatistisch“ eingestellt ist, jedoch von der „provisorischen Regierung“ der Revolutionäre schnell enttäuscht war: Diese hatten es nicht vermocht, das öffentliche Leben nach dem Rückzug der Streitkräfte von Papua-Neuguinea (1990-1992) zu organisieren.

NACHDEM die neue Regierung einen relativen Konsens erzielen konnte, fürchtete die BRA, „in Vergessenheit zu geraten“. Sie hat daher vor kurzem ihre erste Offensive seit einem Jahr begonnen. Und dies, kurz bevor im australischen Cairns ein „Treffen zwischen den Menschen von Bougainville“, d.h. zwischen Miriung und den Rebellen stattfand. Dieses Treffen vom 9. September brachte jedoch keinen Durchbruch, da die Teilnehmer der BRA nicht zur ersten Garde gehörten. Dennoch versprach man sich, die Kontakte fortzusetzen. Bleibt die Hoffnung, daß es Miriung gelingen wird, die „Schwergewichte“ unter den Separatisten für sich zu gewinnen. Ona hat sich immer noch im gebirgigen Dschungel des Inselinnern verschanzt.

Der „schmutzige Krieg“ von Bougainville lastet auf den Gemütern. Die weitere Entwicklung der Lage könnte in der Tat für die Einheit des Landes weitreichende Folgen haben. Auf den anderen Inseln (Neubritannien, Neuirland und Manus, den ehemalige Admiralitäts-Inseln) dürfte man die künftige Beziehung zu Port Moresby aufmerksam verfolgen.

J.-P. C.

1 Sean Donney, „Papua New Guinea“, Random House, New York, 342 S., 1990.

Le Monde diplomatique vom 15.12.1995, von J.-P.C.