Die kleinen Prinzen Pekings...und ihre Moskauer Kollegen
Die kleinen Prinzen Pekings ...
DENG Xiaopings ökonomisches Reformprogramm fand nicht zuletzt deshalb Unterstützung, weil Tausende ranghoher Funktionäre mitsamt ihren Familien unmittelbar davon profitierten. Zu den Privilegiertesten dieser informellen Gruppe – der Entourage des „Fürsten“ – zählen die Kinder des Patriarchen.
Sein zweitältester Sohn, Deng Zhifang, leitet eine riesige Holdinggesellschaft, die zum Imperium von Li Ka-shing gehört, seines Zeichens der reichste Geschäftsmann Hongkongs. Er hat in den verschiedensten Bereichen Investitionen getätigt, nicht nur in China, sondern in ganz Asien, Europa und Kanada. Sein Privatvermögen beläuft sich mittlerweile nach allgemeinen Schätzungen auf 5,8 Milliarden Dollar.
Eine der Töchter Deng Xiaopings sitzt in der Rüstungskommission, und ihr Freund leitete die Verkaufsabteilung einer der wichtigsten Exportfirmen der Armee. Ebenfalls im Waffengeschäft tätig waren die Schwiegersöhne von Zhao Ziyang, dem ehemaligen Generalsekretär der KP, sowie von Präsident Yang Shangkun. Von den mehr als 10 Milliarden Dollar, die die Chinesen im Ausland angelegt haben, ist ein großer Teil im Besitz solch prominenter Personen.
Manchmal gibt es auch „Pannen“. In einem Prozeß in Hongkong tauchte der Name von Frau Ding Peng auf, bei der es sich um eine Nichte von Deng Xiaoping handelt. Sie soll von einem australischen Geschäftsmann chinesischer Herkunft, James Peng, monatlich 100000 Hongkongdollar erhalten und heimlich 450 Millionen Hongkongdollar aus einer der Firmen James Pengs in eine ihrer eigenen Gesellschaften transferiert haben, wie auch in ein Unternehmen, das der Stadt Shenzen gehört. James Peng wurde in Macau festgenommen, kam im Oktober 1993 in Shenzen in Untersuchungshaft und wurde Ende September schließlich zu achtzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die Handelgesellschaft, die er gegründet hat, kontrolliert jetzt – die Nichte Deng Xiaopings.
... und ihre Moskauer Kollegen
ALS in Rußland 90000 Staatsbetriebe privatisiert wurden, besaßen nur wenige der späteren Eigentümer persönliches Kapital. Doch der für Privatisierungen zuständige Minister hatte es eilig und verkaufte die Firmen weit unter Wert. Deren Manager durften überdies bei ihren Kunden Darlehen aufnehmen und Betriebsgelder verwenden. So wurden Mitglieder der ehemaligen Nomenklatura im Handumdrehen und ohne jedes Risiko zu Kapitalisten. Ein Beispiel: In Moskau wurde 1990 eine Ventilatorenfabrik (500 Arbeiter, mit einer Jahresproduktion in Höhe von 17 Millionen Rubel) für nur 6,5 Millionen Rubel an ihre Manager verkauft. Die neuen Eigentümer bekamen von ihrem wichtigsten Kunden ein zinsloses Darlehen über eine Laufzeit von zehn Jahren.1
In Nowosibirsk hat der Leiter einer riesigen Weißblechfabrik (1300 Beschäftigte, mit einem Ausstoß, der fünfmal höher liegt als bei der größten vergleichbaren europäischen Firma) einen Preisnachlaß ausgehandelt, 5 Prozent des Kapitals in seinen Besitz gebracht und sich die faktische Kontrolle über den Rest gesichert. Viele Russen betrachten solche Geschäfte schlicht als Diebstahl; diesen Unmut aufgreifend wurden nun Gesetzesinitiativen gestartet, die diese Geschäfte rückgängig machen wollen. Doch ob diese Vorstöße zum Erfolg führen ist fraglich, zumal Anatoli Tschubais, der Privatisierungsminister, die Transaktionen des Betriebsmanagers gedeckt hat.2 So etwas kommt schließlich alle Tage vor ...
G. K.
1 Thomas Clarke und Cristos Pitelis (Hg.), „The Political Economy of Privatization“, London (Routledge), 1993.
2 Financial Times, 15. Juni 1995.