15.12.1995

Ein Vertrag zwischen ungleichen Partnern

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Ein Vertrag zwischen ungleichen Partnern

DAS Abkommen von Taba (auch Oslo II genannt), das am 28. September 1995 in Washington unterzeichnet wurde, besteht aus dem eigentlichen Vertragstext, sieben Anhängen und acht Landkarten. Im Folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse zusammengefaßt:

– Durch allgemeine Wahlen wird ein Palästinensischer Rat mit 82 Sitzen gebildet, der legislative und exekutive Aufgaben wahrnimmt; ebenso wird der Ratspräsident gewählt. Die Wahl ist auf den 20. Januar 1996 festgesetzt.

– Das Westjordanland (ausgenommen Jerusalem) wird in drei Zonen (A, B und C) unterteilt. Die erste Zone umfaßt die sechs größten Städte (Jenin, Nablus, Tulkarem, Kalkija, Ramallah und Betlehem), Hebron (das Gegenstand eines Sondervertrags ist) sowie Jericho, das bereits seit Mai 1994 unabhängig ist. Diese Zone umfaßt 3 Prozent der Fläche und 20 Prozent der Bevölkerung des Westjordanlands. Im Zeitraum bis zu den Wahlen werden die genannten Städte der palästinensischen Autonomiebehörde übergeben, die israelische Armee zieht ab. Zone B umfaßt 27 Prozent des Territoriums und fast alle der 450 palästinensischen Dörfer. In den Zonen A und B sowie in Jericho werden 90 Prozent der palästinensischen Bevölkerung des Westjordaniens leben. Die Zone B wird teilweise unter palästinensische Verwaltung gestellt, Israel bleibt jedoch für die Sicherheit und die Terrorismusbekämpfung zuständig. In der Zone C (über 70 Prozent des Territoriums) behält Israel die uneingeschränkte Kontrolle.

– In Hebron, wo noch immer 450 jüdische Siedler leben, wird Israel weiterhin die vollständige oder eingeschränkte Kontrolle über 25 bis 30 Prozent des Gemeindegebiets ausüben und damit über etwa 20 Prozent der 130000 Einwohner. Weitere Vereinbarungen über den Rückzug der israelischen Armee aus dieser Stadt wurden nicht getroffen.

– In einem Zeitraum von sechs Monaten nach den palästinensischen Wahlen soll sich die israelische Armee auch aus der Zone C zurückziehen – genauere Absprachen über den Umfang dieser Maßnahmen wurden jedoch nicht getroffen.

– In der Frage der Nutzung von Wasservorkommen im Westjordanland kam es zu keiner Übereinkunft; bis zum Abschluß der Verhandlungen wird Israel also weiterhin den größten Teil dieser Ressourcen für sich beanspruchen.

– Die PLO verpflichtet sich, binnen zwei Monaten nach dem ersten Zusammentreten des Palästinensischen Rats jene Artikel der palästinensischen Nationalcharta außer Kraft zu setzen, die zur Vernichtung Israels aufrufen.

– In Anhang VII wird die schrittweise Entlassung der palästinensischen politischen Gefangenen aus der israelischen Haft in Aussicht gestellt. 1100 sind bereits entlassen worden, weitere 1000 sollen bis zu den Wahlen freikommen. Für die Entlassung der verbleibenden 3000 Häftlinge ist jedoch kein Datum festgesetzt worden.

– Spätestens am 4. Mai 1996 sollen Verhandlungen über den endgültigen Rechtsstatus der Gebiete aufgenommen werden. Es wird dann um alle bislang ungeklärten Fragen gehen: vor allem um Jerusalem, aber auch um die jüdischen Siedler, die Grenzen, die Flüchtlinge und um die Wasserfrage. Die Autorität der palästinensischen Autonomiebehörde, die am 4. Mai 1994 in Gaza und Jericho begründet wurde, endet am 4. Mai 1999; bis dahin sollen alle Verhandlungen abgeschlossen sein.

Le Monde diplomatique vom 15.12.1995