15.12.1995

Mode im Stil von Tras-os-Montes

zurück

Mode im Stil von Tras-os-Montes

PORTUGAL hat nicht den Ehrgeiz, Paris oder Mailand auf dem Gebiet der Mode den Rang abzulaufen. Aber es würde den hiesigen Modemachern sicher helfen, wenn sie sich in den Zentren beraten lassen könnten – darüber, wie man geschickt europäische Förderprogramme nutzt ... und zwar, um einen ganz eigenen Stil zu entwickeln. In den Boutiquen von Lissabon, Coimbra und Vila Real wird in diesem Winter eine neue Kollektion hochwertiger Damenmode zu sehen sein: Prêt-à-Porter von Modabarr – einem Unternehmen, das den richtigen Draht nach Brüssel hat und zugleich eng mit Tras-os- Montes verbunden ist, der Region „jenseits der Berge“, im äußersten Norden Portugals.

Agnès Elluoz, die das Unternehmen aus der Taufe gehoben hat, lebt seit zehn Jahren in der Region, genauer: im Weinbaugebiet von Barroso, von dem sich auch der Firmenname herleitet. Die Sache hat 1991 angefangen, erzählt sie: „Die unzureichende Produktivität und die europäische Agrarpolitik hatten viele Landwirte so hart getroffen, daß sie den lokalen Kleinbetrieben das Feld räumen mußten. Für die Frauen aber gab es in diesem ganz und gar landwirtschaftlich geprägten Gebiet keine Alternativen zu den traditionellen Beschäftigungen in Ackerbau und Viehzucht oder der Arbeit am heimischen Webstuhl. Auf die Idee mit der Modabarr-Kollektion sind wir zunächst deshalb gekommen, weil wir traditionelle Fertigkeiten bewahren und zugleich Arbeitsplätze für jene Frauen schaffen wollten, die zu Opfern der Modernisierung geworden sind.“

ZUNÄCHST bildete sich eine Gruppe von Frauen, und es gelang, die gewählten Vertreter der Region, insbesondere der Gemeinde Montalegre, für das Projekt zu gewinnen. Diese engagierten sich für die Idee und erklärten sich als ersten Schritt bereit, das pisão restaurieren zu lassen – jene Mühle, in der die handgesponnene Wolle zu dem Vlies verarbeitet wird, aus dem man Hirtenmäntel macht. Eine Finanzierung des Unternehmens kam durch Vermittlung des Verbandes zur regionalen Entwicklungsförderung, Trote Gerês, zustande, der 1992 für Modabarr einen Zuschuß von etwas mehr als 31.000 Ecu aus den Mitteln des europäischen Leader-Programms1 erwirkte. Dadurch konnten sechs Bauersfrauen eine Spezialausbildung erhalten.

Monatlich verlassen zwischen 60 und 100 Kleidungsstücke die Werkstätten. Sie sind kunstfertig hergestellt und bestehen im wesentlichen aus Rohmaterialien, die aus der dortigen Region stammen – vorwiegend Wolle und Leinen. 1995 sind Bestellungen in Höhe von umgerechnet etwa 48.000 Mark eingegangen, im nächsten Jahr hofft das Unternehmen den Absatz zu verdoppeln. Dank einer aktiven Vermarktungsstrategie hat sich Modabarr in ganz Portugal einen Namen gemacht. Nun visieren die Frauen neue Absatzmärkte an. Noch in diesem Monat soll eine Modenschau in Toulouse stattfinden – eine erste Etappe auf dem Weg ins näherrückende Paris ...

Odile Jankowiak

1 Das Programm Leader, das für den Zeitraum 1994-1999 verlängert wurde, bezuschußt innovative Projekte landwirtschaftlicher Weiterentwicklung in strukturschwachen Regionen der EG.

Le Monde diplomatique vom 15.12.1995, von Odile Jankowiak