Werden Sie Teilhaber/in der Le Monde diplomatique
WAS lange währt, wird endlich gut! Seit fünfzehn Jahren verfolgen wir von Le Monde diplomatique die Idee, unsere Zeitung auf Dauer eigenständiger zu machen. Nun, mit der Gründung einer Tochtergesellschaft innerhalb der Tageszeitung Le Monde, ist diese Idee Wirklichkeit geworden. Diese Neuerung steht im Dienst von zwei Zielsetzungen unserer Zeitung: das Recht des Bürgers auf freie Information zu verteidigen und den Journalisten, die sich auch in Zeiten des Beschleunigungs-Journalismus der Wahrheit und der Genauigkeit verschrieben haben, die Arbeit zu ermöglichen.
Die Realisierung dieser Intention bezeichnet einen neuen Abschnitt in der Geschichte unserer Zeitung, sicherlich den wichtigsten seit ihrer Gründung im Jahre 1954.
Worum geht es? Die verkaufte Auflage von Le Monde diplomatique steigt (165000 Exemplare) ebenso wie ihr Reinertrag (ungefähr 5 Millionen Franc), entgegen dem ansonsten recht düsteren Trend in den Printmedien. Diese Zahlen belegen das Vertrauen unserer Leser. Sie bestätigen, daß die Redaktion die richtigen Themen auswählt und daß die Zeitung seriös geführt wird. Ermutigt durch diese Anerkennung, haben wir beschlossen, eine Teilhabergesellschaft zu bilden.
Mit allen Handlungsfreiheiten einer Tochtergesellschaft ausgestattet, wird Le Monde diplomatique in der Lage sein, die unserer Zeitung eigene Prägung, die Originalität wie die Unabhängigkeit zu bewahren. Die derzeitigen Umwälzungen im Bereich der Kommunikation ziehen eine ganze Reihe von Konzentrationen und Fusionen nach sich – mit spürbaren Folgen kultureller wie ideologischer Natur für die jeweils betroffenen Medien.
Kein Wunder, daß im Zuge des Krieges zwischen Printmedien, Radio und Fernsehen die Kriterien sich aufweichen, Manipulationen und Lügen sich häufen und das Niveau abgleitet. Noch nie war der Vertrauensverlust der Bürger gegenüber den Medien und Journalisten so stark wie heute.
Ein weiteres Alarmzeichen ist die Zeitungskrise. Die Auflagen sinken, die Finanzschwierigkeiten steigen. Die wenigen noch unabhängigen Titel werden von den Aasgeiern der politischen und finanziellen Macht regelrecht belauert; und deren wirtschaftliche und ideologische Absichten sind eindeutig gegenläufig zu den Informationsinteressen einer Öffentlichkeit, die sich einmischen will. Das bestätigte sich wieder einmal in der medialen Aufarbeitung der machtvollen sozialen Bewegung im Dezember letzten Jahres in Frankreich. Die wichtigste Gewähr für eine Demokratie, die diesen Namen verdient, ist die Unabhängigkeit der Information, und die ist am Ende dieses Jahrhunderts aufs schwerste bedroht.
Daher schien uns die Zeit reif, unser Vorhaben einer Gesellschaftsgründung mit erster Priorität voranzutreiben.
1. Was die interne Struktur des Gesamtunternehmens anbelangt, so stand der im März 1994 gewählte neue Direktor der Zeitung und Vorstandsvorsitzende der Le Monde SA (Aktiengesellschaft) Jean- Marie Colombani unserem Projekt einer Tochtergesellschaft sehr positiv gegenüber, zumal es sich gut verband mit seinem Vorhaben, im Rahmen einer Modernisierung der Unternehmensstruktur auch den Bereich der Periodika zu rationalisieren.
Deshalb genehmigte der Aufsichtsrat der Le Monde SA bei seiner Zusammenkunft am 24. Januar 1996 den Antrag des Vorstandes (Vorsitzender Jean-Marie Colombani, Dominique Alduy und Noäl- Jean Bergeroux), konkrete Schritte zur Gründung einer Tochtergesellschaft zu unternehmen. Sie soll eine Gesellschaftsform mit Vorstand und Aufsichtsrat haben und Le Monde diplomatique SA heißen.
2. Hinzu kam die Idee einer externen Beteiligung, die dem Projekt den entscheidenden Impuls verlieh – sie zeugt von der außergewöhnlichen Bindung unserer Leserschaft an ihre Zeitung und bestätigt deren Bedeutung in der intellektuellen Auseinandersetzung unserer Tage. Im letzten Jahr bot uns der 83jährige in Bolivien lebende deutsche Staatsbürger Gunter Holzmann seine Hilfe an und übertrug uns für die Gründung der Tochtergesellschaft ohne die geringste Gegenleistung eine Summe von rund 5 Millionen Franc. Holzmann, der über seine bewegte Lebensgeschichte in unserer Zeitung berichtet hat („Wie ich den Aufstieg der Nazis erlebte“, Le Monde diplomatique, Mai 1995), trug damit wesentlich dazu bei, daß wir unsere Vorstellung einer Gesellschaftsgründung konkretisieren konnten. Betrieben wird das Projekt derzeit von einer Teilhabergesellschaft, die alle Mitarbeiter von Le Monde diplomatique umfaßt und die von der Le Monde SA Anteile in Höhe von 5 Millionen Franc an der Tochtergesellschaft Le Monde diplomatique SA erwerben wird. Da der Gesamtwert der Gesellschaft auf 41 Millionen Franc angesetzt worden ist, werden die Mitarbeiter unserer Zeitung dank Holzmanns Legat als Teilhaber somit mehr als 12 Prozent der Anteile halten.
UNSERE Leser, das wissen und das schätzen wir, sind im gleichen Maße wie wir selbst die Gewährsleute unserer verlegerischen Linie, da ihre Verbundenheit mit unseren Vorstellungen und Prinzipien das Fundament unserer Arbeit ist. Deshalb haben wir mit der Einwilligung der Le Monde SA beschlossen, den Lesern der Le Monde diplomatique Anteile der Tochtergesellschaft in einem Umfang von insgesamt 10 Millionen Franc zu veräußern, das entspricht rund 3 Millionen Mark bzw. 2,5 Millionen Schweizer Franken. Sie stellen ungefähr 23 Prozent aller Anteile der Le Monde diplomatique SA dar. Auf diese Weise verfügen die beiden Teilhabergesellschaften – Mitarbeiter und Leser „des Diplo“ – gemeinsam über die Sperrminorität innerhalb der neuen Verlegergesellschaft. Sie dürfen bei Ausschöpfung des ihnen gewährten Kreditvolumens bis zu 49 Prozent der Anteile halten.
Wir haben zu diesem Zweck bereits am 20. Mai 1995 die Vereinigung Les Amis du Monde diplomatique (Freunde der Monde diplomatique) gegründet. Unter dem Vorstand des ehemaligen Herausgebers unserer Zeitung, Claude Julien, hat sich ein Verwaltungsrat formiert, bestehend aus verschiedenen Personen der hiesigen Öffentlichkeit, u.a. Susan George (Schriftstellerin), Henri Madelin (Chefredakteur von Études). Nun wollen wir unsere Leser einladen, die Gelegenheit zu ergreifen und einzeln oder gemeinsam Teilhaber unserer Zeitung zu werden. Die finanzielle Anstrengung, die wir Ihnen in dieser Zeit der Krise abverlangen, ist beträchtlich. Das wissen wir. Aber wir denken, daß unser Vorhaben Ihrer eigenen politischen Besorgnis entgegenkommt, und sind überzeugt, daß die 10 Millionen Franc zusammenkommen.
Angesichts der sich ankündigenden intellektuellen Kapitulation und des sozialen Aufruhrs wäre Ihr Engagement die deutlichste Weise, Ihrem Wunsch nach einer freien Presse Gehör zu verschaffen, nach einer Zeitung, die sich dauerhaft vor fremdem politischem Druck, ökonomischer Einschüchterung und Erpressung durch die Werbung zu schützen weiß.
CLAUDE JULIEN
und IGNACIO RAMONET