15.03.1996

Ein Europa der Bürger

zurück

Ein Europa der Bürger

JACQUES Delors, von 1985 bis 1995 Präsident der Europäischen Kommission in Brüssel, hatte dem Aufbau Europas ein geradezu atemberaubendes Tempo vorgegeben: 1990 der freie Kapitalverkehr, 1992 der gemeinsame Markt, 1995 die vierte Erweiterung der Europäischen Union, 1999 die Einheitswährung. Dieser gigantische Voluntarismus zielte vorwiegend auf die wirtschaftliche Dimension, und so wurde die Union in erster Linie zu einem Markt, mit dem Industrielle und Finanzleute wohl rundum zufrieden sein können. Gleiches gilt jedoch nicht für die Bürger, die aus der Ferne ein Gebilde wahrnehmen, das ihre Probleme – vor allem das der Arbeitslosigkeit – nicht zu lösen vermag. Gegenüber ihren Sorgen scheint die am 29. März in Turin beginnende Regierungskonferenz völlig blind zu sein. Die vordringlichste Aufgabe läge jetzt nicht darin, erneut eine institutionelle Flucht nach vorn anzutreten, sondern die Entstehung eines öffentlichen Raums in Europa zu fördern, so daß sich die Bürger nach und nach am Aufbau der Union beteiligen können. Mit dieser neuen Artikelserie, die über mehrere Monate hinweg fortgesetzt wird, haben wir uns vorgenommen, neue Wege für ein anderes Europa vorzuschlagen.

Le Monde diplomatique vom 15.03.1996