Unter Gottes Himmelszelt
MITREISSENDE Gespräche hat der Journalist Yves de Gentil-Baichis mit Henri Madelin geführt, der vormals Provinzial der Societas Jesu (1979-1985) war und zur Zeit Chefredakteur der Zeitschrift Etudes ist. Auf die Frage nach den „neuen Religionsgemeinschaften“ wie etwa der Pfingstbewegung und nach der „Wiederentdeckung des Glaubens“ gibt er zur Antwort: „Statt in dieser Hinsicht von einer Wiederkehr des Glaubens zu reden, würde ich eher meinen, daß wir es mit einem Ansturm des Irrationalen zu tun haben. (...) In einer kalten, auf Konkurrenz basierenden Gesellschaft braucht man einen menschlichen Austausch und gefühlsmäßige Bindungen. Das haben die sektiererischen Gruppen verstanden; und so nehmen sie die Menschen, die ihnen begegnen, mit offenen Armen und sehr herzlich auf.“
Warum war die katholische Kirche nicht in der Lage, auf solche Erwartungen einzugehen? „Zweifellos hat der allzu klerikale Zug einer Kirche, der es an menschlicher Wärme fehlt, die Menschen dazu gebracht, sich Gruppen zuzuwenden, die auf den ersten Blick entgegenkommender sind.“
Auch zu anderen brennenden Fragen wie der Trennung von Kirche und Staat, dem Niedergang der katholischen Kirche oder dem Rückgang des Priesternachwuchses sind die Antworten Henri Madelins erfrischend, offen, immer umfassend, beherzt und voller Überraschungen.
N. D.
1 Henri Madelin, „Sous le soleil de Dieu“, Paris (Bayard/Centurion) 1996, 142 Seiten, 79 F.