Die Allianz mit Israel
IN der gesamten arabischen Welt und im Iran erhob sich eine Welle von Protesten, nachdem der israelische Rundfunk am 5. April 1996 gemeldet hatte, daß zwischen der Türkei und Israel ein Militärabkommen unterzeichnet worden sei, das israelischen Kampfflugzeugen künftig bei Ausbildungsflügen die Benutzung türkischer Luftwaffenstützpunkte erlaube. „Tel Aviv hat damit seinen militärischen Einflußbereich bis an die Grenzen des Iran erweitert“, hieß es am 7. April in einem syrischen Pressekommentar, der im übrigen der Türkei vorwarf, „ihre historischen Bindungen an die arabischen Länder“ zu mißachten. Aber aus Sicht der türkischen Führung besteht eine weitgehende Übereinstimmung der nationalen Interessen mit den Zielen Israels. Ankara hat Israel bereits 1949 anerkannt und unterhält seit langem Beziehungen auf allen Ebenen zum jüdischen Staat. Die beiden Länder haben einiges gemeinsam: Sie gehören zu den wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten, ihre wirtschaftliche Potenz übertrifft die ihrer arabischen Nachbarn bei weitem, und durch ihr parlamentarisches System stehen sie den europäischen Staaten nahe, von denen sie folglich auch als gleichberechtigte Partner behandelt werden wollen.
Am 18. April, unmittelbar nach dem Blutbad im libanensischen Kana, empfing der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz in Ankara den iranischen Außenminister Welajati. Danach sah er sich zu einer Klarstellung veranlaßt: „Das Militärabkommen mit Israel ist allein unsere Sache“. Am 20. April reiste er in die Grenzprovinz Hatay, den einstigen osmanischen Sandschak Alexandretta. Bereits das war eine Provokation, denn Syrien hat nie offiziell anerkannt, daß diese Provinz 1939 von der Völkerbunds-Mandatsmacht Frankreich an die Türkei abgetreten wurde. Yilmaz setzte noch eins drauf, indem er von dort aus den syrischen Präsidenten Assad aufforderte, sich der Kritik am türkisch-israelischen Militärabkommen zu enthalten und sich nicht länger über die Aufstauung des Euphrat durch die Türkei (von der Syriens Wasserversorgung abhängt) zu beklagen.
ZWEI Tage später gab es eine weitere Kampfansage, diesmal von seiten des stellvertretenden türkischen Ministerpräsidenten Nahib Mentese: Er warf der Führung der Baath-Partei in Damaskus vor, noch an die Wiedererrichtung eines Groß-Syrien zu denken, und fügte hinzu, man werde Syrien eine Lektion erteilen, falls es versuchen sollte, die Provinz Hatay zurückzuerobern. Außerdem verurteilte er die syrische Unterstützung der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und ihres Führers Abdullah Öcalan. Vor dem Hintergrund des eskalierenden Konflikts im Südlibanon konnte man in Damaskus diese Angriffe nur als Teil der amerikanisch- israelischen Bemühungen verstehen, Syrien zum Einlenken und zur Anerkennung der israelischen Forderungen zu bewegen.
Eine erneute Verschärfung der Krise trat ein, als die Türkei am 24. April die Wehre an den Staudämmen des oberen Euphrat schließen ließ. Offiziell handelte es sich um eine vorübergehende Schließung aus technischen Gründen. In Damaskus mußte daraufhin, am Vorabend des Opferfestes Id al-Adhar, das Wasser rationiert werden. Natürlich sah man sich in den arabischen Ländern im Mißtrauen gegen die Türkei bestätigt – abermals war vom „Verrat an den Interessen der muslimischen Welt“ die Rede.
M. V.