12.07.1996

Weltmacht mit beschränkter Haftung

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Weltmacht mit beschränkter Haftung

DIE arabischen Staatschefs haben bei ihrem Treffen in Kairo am 22. und 23. Juni eine gemäßigte, wenngleich entschlossene Haltung zu den Problemen der weiteren Entwicklung im Nahen Osten eingenommen. Sie erinnerten daran, daß die Sicherheit aller Staaten auf zwei Prinzipien basieren müsse: dem Verhandlungsgrundsatz „Frieden gegen Land“ und dem Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes. Diese Positionsbestimmung hat bei der neuen Regierung der Rechten in Israel, deren Programm im Widerspruch zu Geist und Inhalt der Verträge von Oslo steht, heftige Reaktionen hervorgerufen. Benjamin Netanjahu rechnet dabei auf eine nachsichtige Haltung der US-amerikanischen Regierung, in deren Nahost-Strategie Israel eine zentrale Rolle spielt.

Von unserem Korrespondenten ALAIN GRESH

„Unsere Politik war voll und ganz auf Schimon Peres abgestellt, für den Fall seines Scheiterns gab es keine Konzepte.“ Judith Kipper vom Institut für internationale und strategische Studien in Washington empört sich über die Kurzsichtigkeit der Regierungsvertreter. Zweifellos war zwischen der Regierung Clinton und der israelischen Labour-Regierung im Lauf der letzten Jahre ein weitgehend ungetrübtes Einverständnis entstanden; entsprechend ernüchtert und ratlos zeigte man sich im State Department nach dem überraschenden Wahlsieg Netanjahus.

Vom Antiterrorgipfel in Scharm al- Scheich, am 13. März, bis zum Besuch des israelischen Premiers im Weißen Haus, am 29. und 30. April 1996, hatte man nichts unversucht gelassen: Keine Inszenierung schien zu spektakulär, kein Versprechen zu übertrieben, um den Wahlsieg der Arbeitspartei zu sichern. Selbst die Operation „Früchte des Zorns“, das Vorgehen Israels gegen den Libanon im April, dem man immerhin bescheinigte, daß es einer „fragwürdigen“ Logik folge – sprich: seine Ziele nicht erreichen konnte – stieß nicht auf öffentliche Kritik.

Präsident Clinton ging sogar so weit, das Massaker von Kana zu entschuldigen. Am 28. April 1996 erklärte er in einer Rede vor dem American Israeli Public Affairs Committee (Aipac), einer Art Speerspitze der proisraelischen Lobby: „Lassen wir keine Mißverständnisse aufkommen: Die libanesischen Kinder sind zwischen die Fronten geraten. Auf der einen Seite die Hisbollah mit ihrer bewußten Taktik der gezielten Einsätze und Feuerüberfälle (Beifall), auf der anderen Seite ein tragischer Fehler im Feuerleitsystem, der Israel in Ausübung seines legitimen Rechts der Selbstverteidigung (Beifall) unterlief.“

Seit seinem Einzug ins Weiße Haus, im Januar 1993, hat Clinton keinen Zweifel daran gelassen, daß Unstimmigkeiten zwischen Washington und Tel Aviv intern zu regeln seien und daß man den arabischen Staaten auf keinen Fall Gelegenheit geben dürfe, Risse in den amerikanisch-israelischen Beziehungen auszunutzen.1 Während seiner vierjährigen Amtszeit blieb das Verhältnis zwischen den beiden Staaten völlig ungetrübt, obwohl es unter seinen Vorgängern Reagan und Bush immerhin gewisse Spannungen gegeben hatte.

Diese Allianz schlug sich in dem bislang bedeutendsten amerikanisch-israelischen Militärmanöver nieder, das Anfang 1995 in der Negev-Wüste stattfand2; zur selben Zeit trat auch, nach Ablauf einer zehnjährigen Übergangsregelung, das Freihandelsabkommen zwischen den beiden Ländern in Kraft. Von 1985 bis 1995 stiegen die Exporte der USA nach Israel von 1,68 Milliarden Dollar auf 5,6 Milliarden, ihre Einfuhren aus Israel von 2,14 Milliarden Dollar auf 5,7 Milliarden. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern macht mehr als ein Viertel des Warenverkehrs zwischen den USA und der ganzen arabischen Welt aus.

Als Schimon Peres im April nach Washington reiste, gab es einen weiteren Schub: In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, „die Zusammenarbeit in den Bereichen der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik und auf diplomatischer Ebene“ könne sich „auf bestehende Einrichtungen stützen, die sich, zum Vorteil beider Länder, als sehr wirksam erwiesen haben“. Um die „strategische Zusammenarbeit“ zu verbessern, wurde ein gemeinsamer Ausschuß unter Vorsitz der beiden Außenminister gebildet, in dem „geprüft werden soll, wie diese Kooperation ausgebaut und, wenn nötig, formell abgesichert werden kann.“ Außerdem wurden während des Besuchs zwei Abkommen unterzeichnet: Eines bezog sich auf den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus, das andere auf die Weiterentwicklung der „Arrow“-Raketenabwehr-Raketen und von entsprechenden Hochenergie- Laser-Systemen. „Ich sehe nicht, was ich sonst noch hätte fordern können“, bilanzierte Peres am Ende seiner Reise.

Ehrliche oder effiziente Makler?

UNMITTELBAR nach der Wahlniederlage von Peres erklärte ein amerikanischer Diplomat: „Die Allianz zwischen Israel und den Vereinigten Staaten hängt nicht von Mehrheitsverhältnissen ab, sie beruht vielmehr auf gemeinsamen Interessen.“ Und Robert Setloff, Direktor des Washington Institute for Near East Policy, eines als israelfreundlich geltenden Forschungsinstituts, sieht als die Grundpfeiler der US-amerikanischen Politik im Nahen Osten nach wie vor „die Sicherheit und das Überleben Israels sowie den unbehinderten und kostengünstigen Zugang zu den Öl- und Gasvorkommen“.

Wenn sich Benjamin Netanjahu an die Spielregeln hält (s. u. den Artikel von Amnon Kapeliuk) und die Verhandlungen mit den Palästinensern und Syrien weiterführt, und sei es nur im Schneckentempo, ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß eine größere Krise die einmal in Gang gebrachte Dynamik bremsen könnte. Netanjahu kann bereits auf die Unterstützung führender Politiker im US-Senat zählen: Am 8. Juli wird er bei seinem ersten Besuch in Washington seine Ansichten vor dem Kongreß darstellen können. US-Außenminister Warren Christopher hat überdies gleich nach dem Wahlerfolg der israelischen Rechten die arabischen Führer ermahnt, „die Türen nicht zuzuschlagen und nichts zu unternehmen, was den Friedensprozeß stören könnte“3.

Gegen alle landläufigen Vorstellungen bedeutet die amerikanisch-israelische Entente keineswegs, daß Washington sich aktiv in die Friedensverhandlungen eingemischt hätte, meint Judith Kipper: „Weder bei der gegenseitigen Anerkennung zwischen Israel und der PLO noch bei der Grundsatzerklärung vom 13. September 1993 über die Übergangsregelungen hatte die Clinton-Regierung die Hand im Spiel. Auch die nachfolgenden Autonomieverhandlungen liefen ausschließlich bilateral. Denis Ross [der Beauftragte des Außenministeriums für die Verhandlungen, d. Red.] hat nur in wenigen Punkten interveniert. Sogar die Friedensverhandlungen zwischen Israel und Jordanien wurden direkt von Jitzhak Rabin und König Hussein geführt.“

Was die Streitpunkte zwischen Israel und den Palästinensern angeht, so weicht die Clinton-Regierung auf vage Positionen zurück, die sich von den UN-Resolutionen und den Prinzipien des Völkerrechts immer weiter entfernen. So weigern sich die USA seit Dezember 1993, wie in den Jahren zuvor der alljährlichen Erneuerung der UN-Resolution 194 zuzustimmen. Diese 1948 von der Vollversammlung verabschiedete Resolution sichert den palästinensischen Flüchtlingen ein „Recht auf Rückkehr“ zu. Auch die israelischen Siedlungen sind in den Augen der USA nicht mehr „widerrechtlich“, sondern lediglich ein „problematischer Aspekt“ der Lage. Zwar hält man noch an der UN-Resolution 242 und dem Prinzip „Frieden gegen Land“ fest, aber neuerdings ist nicht mehr die Rede von „besetzten Gebieten“, sondern von „umstrittenen Gebieten“, und man fordert auch nicht mehr die Rückkehr zu den Grenzen von 1967 (mit lediglich kleineren Modifikationen).4

Seit dem 4. Mai 1996 wird über den künftigen Status von Westjordanland, Gaza und Jerusalem verhandelt. William Quandt, Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats unter Nixon und Carter, meint, damit sei „die amerikanische Regierung aufgefordert, zu den Verhandlungsthemen – Flüchtlinge, Grenzverlauf, Siedlungen – Stellung zu nehmen. Aber sie hält sich zurück und überläßt die Sache den Verhandlungsführern.“ Statt dessen erklären Regierungsvertreter kühl, die USA seien im israelisch-arabischen Konflikt nicht „unparteiisch“. Man ziehe es vor, als „erfolgreicher“ statt als „ehrlicher Makler“ aufzutreten. Aber waren die USA in diesem Zusammenhang überhaupt „erfolgreich“?

Der einzige Teilbereich des Nahost- Problems, mit dem sich die gegenwärtige Regierung befaßt, ist der Konflikt zwischen Israel und Syrien. Daß hier keine Fortschritte zu verzeichnen sind, wird allgemein der harten Haltung des syrischen Präsidenten Assad zugeschrieben, der sich in allen Verhandlungen unnachgiebig zeigte und Außenminister Christopher in der jüngsten Libanon-Krise zu wiederholten Vermittlungsmissionen zwang. Das löste im State Department Verbitterung aus, hier erwartet man von den arabischen Ländern mehr „Nachgiebigkeit“; und sofort regte sich die Kritik der Kräfte, denen das intensive Werben um Syrien ohnehin nicht paßt. Glaubt man Richard Haass, einem früheren Stellvertreter von Denis Ross, so waren „die Vereinigten Staaten unfähig, die Methode von Zuckerbrot und Peitsche anzuwenden. Wir hätten Damaskus die Sanktionen androhen können, die der Kongreß beschlossen hatte. In der Weltordnung nach dem Kalten Krieg dürfte der Frieden mit Syrien jedenfalls nicht einen derartigen Stellenwert haben.“

Politische Beobachter lästern bereits, der amerikanische Außenminister habe seit 1993 24 Mal Damaskus besucht, dagegen nur 6 Mal Paris, 2 Mal Mexiko und 1 Mal China. Für Peter W. Rodman, den Leiter der Forschungsprogramme zur Nationalen Sicherheit am „Richard-Nixon- Zentrum für Frieden und Freiheit“, stellt sich die Frage, „ob man für Verhandlungen mit Syrien noch mehr politisches Kapital vergeuden soll“5.

Auch Benjamin Gilman, Abgeordneter aus New York und im Repräsentantenhaus Vorsitzender des „Komitees für internationale Beziehungen“, fordert verstärkten Druck auf Syrien, und Senator Joseph Lieberman stellt sogar die Frage, „ob man dieses Land angesichts seiner Unterstützung für Terroristen und seiner unnachgiebigen Haltung in den Friedensverhandlungen nicht mit weiteren Sanktionen belegen sollte“6.

In diese Richtung könnte auch die starre Position Benjamin Netanjahus in Sachen Golan wirken, zumal der neue Regierungschef sich auf einen Brief von US- Präsident Gerald Ford an den damaligen israelischen Regierungschef Rabin berufen kann, der im Prinzip auch seine Nachfolger im Weißen Haus festlegt: „Die Vereinigten Staaten“, heißt es da mit Datum 1. September 1975, „haben ihre Position bezüglich der Grenzen [zwischen Syrien und Israel, d. Red.] bislang nicht endgültig festgelegt. Eine abschließende Bewertung würde jedoch der israelischen Auffassung großes Gewicht beimessen, wonach in einem Friedensvertrag mit Syrien die weitere Präsenz Israels auf dem Golan akzeptiert werden müßte.“7

Sanktionen sind in Washington ein beliebtes Mittel – als Ersatz für die Außenpolitik. Obwohl an ihrer Wirksamkeit Zweifel bestehen, vor allem wenn es sich um einseitige Maßnahmen der Vereinigten Staaten handelt, spielen sie doch im Wahlkampf zwischen Demokraten und Republikanern immer wieder eine Rolle. Im Nahen Osten wurden Sanktionen erstmals 1951 eingesetzt: gegen die iranische Regierung unter Mohammed Mossadegh, als diese die Majestätsbeleidigung beging, die Erdölindustrie zu verstaatlichen. Es dauerte zwei Jahre, bis der CIA einen Staatsstreich inszenieren konnte, der den Schah wieder an die Macht brachte. Ein Schritt, der wiederum den Boden für die Islamische Revolution von 1979 bereitete.

Das Embargo gegen den Irak hat seit sechs Jahren Bestand. Nach langen Geheimverhandlungen zwischen Bagdad und UNO einigte man sich über die Umsetzung der 1995 verabschiedeten UN- Resolution 986. Demnach darf der Irak in einem Zeitraum von sechs Monaten Erdöl im Wert von zwei Milliarden Dollar exportieren, und diese Einnahmen – nach Abzug der Summen, die an die Opfer des Golfkriegs und diverse UN-Institutionen abgeführt werden – zur Einfuhr von Lebensmitteln verwenden. Auch in Washington muß man zugeben, daß diese Vereinbarung „einen kleinen Kompromiß“ darstellt: „Wir sind unseren Verbündeten etwas entgegengekommen – schließlich muß man die Allianz erhalten –, aber nicht in der Substanz. Saddam kann jetzt keine humanitären Argumente mehr anführen, um die Aufhebung der Sanktionen zu fordern.“

In diesem letzten Punkt ist der Westen vollkommen unnachgiebig. Das Exportverbot für irakisches Öl müßte eigentlich aufgehoben werden, sobald Bagdad die Abrüstungsforderungen der Vereinten Nationen erfüllt hat. Aber die Vereinigten Staaten legen die UN-Resolutionen nach Belieben aus8 und diktieren dem Irak eine ganze Reihe neuer Bedingungen: Rückgabe aller geraubten Güter an Kuwait, Auslieferung aller vermißten Personen, Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus, Beachtung der Menschenrechte und so weiter. Natürlich weiß man, daß dieser Forderungskatalog „dehnbar“ ist: „Wir werden auf keinen Fall zulassen“, sagen informierte Gesprächspartner, „daß der Irak erneut so mächtig wird, daß er eine Bedrohung für die Nachbarstaaten darstellt, wobei es gleichgültig ist, ob Saddam Hussein am Ruder bleibt oder nicht.“

Aber wieso hat der Sturz des Regimes keine Priorität? Eine Erklärung könnte sein, daß die Vereinigten Staaten derzeit mit ihren eigenen wirtschaftlichen und sozialen Problemen beschäftigt sind und sich zunehmend isolationistisch verhalten. Ein amerikanischer Nahost-Experte meint dazu: „Wir werden zehn bis fünfzehn Jahre brauchen, um unsere innenpolitischen Probleme zu bewältigen, da können wir uns nicht um die gesamte Welt kümmern, schon gar nicht um den Irak. Uns fehlen einfach die Mittel – wir haben weder die Zeit noch das Geld, um Saddam Hussein erledigen zu können. Also beschränken wir uns auf Strategien, die weniger kosten.“

Das verweist auf einen Widerspruch, der heute in Washington vielen bewußt ist: Die Vereinigten Staaten sind derzeit ohne Frage die einzige Weltmacht und treten oft genug mit dem entsprechenden Selbstbewußtsein auf. Doch zugleich fehlen ihnen zunehmend die finanziellen Mittel, um ihrem Führungsanspruch gerecht zu werden.9 Und die öffentliche Meinung ist angesichts der Verfallserscheinungen im eigenen Lande für außenpolitische Abenteuer immer weniger zu begeistern.

So sieht es auch Jahja Sadowski von der Brookings Institution, einem renommierten Forschungszentrum, das im Begriff steht, einen großen Teil seiner Arbeit zu internationalen Fragen einzustellen: „Clinton wurde gewählt, weil sich sein Programm auf innenpolitische Probleme bezog. Die Vereinigten Staaten zeigen immer weniger Interesse an internationalen Fragen. Es gibt keine außenpolitische Doktrin mehr, die der Öffentlichkeit vermittelbar wäre und auf die sich Demokraten und Republikaner einigen könnten. Weder die Theorie vom unvermeidlichen Konflikt zwischen den Kulturen noch das Postulat vom Ende der Geschichte haben ein schlüssiges politisches Konzept hervorgebracht.“

Iran – das ideale Schreckgespenst

IN dieser Hinsicht kapituliert die Regierung häufig vor dem Kongreß, dessen Inkompetenz in Fragen der Außenpolitik kein Geheimnis ist – 186 Mitglieder des Repräsentantenhauses sind zwischen 1992 und 1994 zum ersten Mal gewählt worden. „Im Außenministerium fangen sie jedesmal an zu zittern, wenn ein Brief von einem Senator eintrifft“, meint ein Beobachter ironisch. Aber was soll man davon halten, wenn solche Briefe nicht an Bürger des „Imperiums“, sondern an Ausländer gerichtet sind?

„Sehr geehrter Herr de Margerie, nach Ansicht des Kongresses stellt jede Art von Handelsabkommen, das dem Iran Devisen für den Ausbau seines Energiesektors einbringt, eine Bedrohung der nationalen Sicherheit Amerikas dar. (...) Die Fortsetzung des Projekts auf den Sirri-Inseln ist sehr bedauerlich. (...) Der Kongreß und das amerikanische Volk können nicht untätig zuschauen, wie Unternehmen aus verbündeten Ländern den Iran mit den Mitteln versorgen, die ihm zur Unterstützung des Terrorismus dienen.“

Dieses Schreiben wurde Ende Mai dem Leiter der Nahost-Abteilung des französischen Unternehmens Total zugestellt. Absender war der republikanische Senator Alfonse D'Amato aus New York, der übrigens auch die Wahlkampagne des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Robert Dole leitet. Der Vorwurf an Total bestand darin, die Nachfolge der amerikanischen Firma Conoco angetreten zu haben, der die US-Regierung die Off-shore- Ölförderung bei den Sirri-Inseln untersagt hatte.

Zur gleichen Zeit bereitet der Kongreß – auf Initiative von D'Amato und intensiv bearbeitet durch die jüdische Lobby- Organisation Aipac10 – ein Gesetz vor, das im Namen der „nationalen Sicherheit und der außenpolitischen Interessen der Vereinigten Staaten“ dafür sorgen soll, daß „der Iran daran gehindert wird, Massenvernichtungswaffen weiterzugeben und im internationalen Rahmen terroristische Anschläge zu verüben“, und das außerdem von Libyen „die vollständige Erfüllung der Verpflichtungen aus den Resolutionen 731, 748 und 883 des UN-Sicherheitsrats“ fordert. Und Unternehmen, auch ausländische, die mehr als 40 Millionen Dollar in die Gas- und Olförderung im Iran investieren, müssen mit Strafmaßnahmen rechnen.

Diese Gesetzesinitiative löste bei den Verbündeten der USA einen Sturm der Entrüstung aus, und zwar nicht nur in Kanada und Frankreich, sondern selbst in Großbritannien und den Niederlanden, wo man einen Fehltritt Washingtons normalerweise eher mit Nachsicht behandelt. Nachdem der Eifer bei den Senatoren und Abgeordneten etwas gedämpft war – sie hatten noch schärfere Formulierungen verlangt, waren damit aber bei der Welthandelsorganisation auf Kritik gestoßen11 –, scheute sich die Regierung jedoch nicht, die aufmüpfigen Länder zur Ordnung zu rufen.

Bei einer Konferenz des Middle East Institute in Washington am 22. April warnte Patrick Clawson von der Universität für Nationale Verteidigung die Verbündeten: „Sie haben selbstverständlich das Recht, die amerikanische Politik gegenüber dem Iran zu mißbilligen, doch ist darauf hinzuweisen, daß sie genau wie die Vereinigten Staaten von der gesicherten und stabilen Versorgung mit Öl aus dem Persischen Golf profitieren. Die Lasten der Sicherheitspolitik am Persischen Golf werden jedoch überwiegend von den USA getragen. Japan und Deutschland haben sich an der Operation ,Desert Storm‘ nur symbolisch beteiligt12, und es sind nicht ihre Schiffe, Flugzeuge und Truppen, die dafür sorgen, daß die Straße von Hormuz offen bleibt. Und weil Bonn und Tokio diesen freien Zugang den Vereinigten Staaten verdanken, sollten sie es auch Washington überlassen, die Sicherheitsrisiken am Golf einzuschätzen und mit den geeigneten Mitteln zu beantworten.“

Mißtrauisch gemacht durch die „Einmischung“ Frankreichs in die Nahostpolitik, vor allem während der letzten Krise im Libanon, ist die Regierung Clinton mehr denn je entschlossen, ihr Revier am Golf zu verteidigen. Dabei spielt es natürlich eine wichtige Rolle, daß Amerika rund 55 Prozent seines Erdölbedarfs importiert – 1996 sind das acht Millionen Barrel täglich. Nicht zu vergessen die Tatsache, daß Zehntausende amerikanischer Soldaten in der Region stationiert sind. Der Iran ist so gesehen nicht nur der „Lieblingsfeind der Amerikaner“, wie man in Washington sagt, sondern – zusammen mit Saddam Hussein – auch das ideale Schreckgespenst, um die Entsendung amerikanischer Truppen an den Golf zu rechtfertigen, nicht zuletzt gegenüber den alternden Herrscherfiguren in der Region.

Clinton steht in dieser Frage relativ isoliert, auf die Unterstützung Israels kann er jedoch rechnen: Peres hatte bereits die Möglichkeit erwähnt, einen Militärschlag gegen die Nuklearanlage von Neka, 150 Kilometer nördlich von Teheran, zu führen, und Netanjahu wendet sich jetzt noch heftiger gegen die „islamistische Bedrohung“ und den „Terrorismus“13. Hier tun sich große Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern auf.

Trotz der Aufrufe beim Gipfel von Kairo am 22. und 23. Juni und obwohl unter Washingtons „arabischen Freunden“ eine gewisse Verunsicherung herrscht, ist die strategische Allianz zwischen Israel und den USA nicht gefährdet. Schließlich sind die Führer des Nahen Ostens offensichtlich nicht in der Lage, auf die „Exzesse“ Israels zu reagieren. Nach dem jüngsten israelischen Angriff auf den Libanon meinte ein Beobachter ironisch: „Die PLO war bereit, ihre Charta zu ändern, Jordanien hat weiter die Politik der Normalisierung verfolgt, und Ägypten hat gar nichts unternommen.“ Warum sollten sich die USA da Sorgen machen? „It‘s business as usual.“

dt. Edgar Peinelt

1 Siehe Alain Gresh, „Entre Washington et Israäl: Une alliance sans faille“, Le Monde diplomatique, Juli 1993.

2 Zeev Schiff, „Jerusalem und Washington sind sich näher als je zuvor“, Ha'aretz, zit. n. Courrier international, 15. bis 19. Juni 1996.

3 Zit. n. Mideast Mirror (London), 11. Juni 1996.

4 Siehe dazu die ausgezeichnete Arbeit von Donald Neff: „Fallen Pillars: U.S. Policy Towards Palestine and Israel since 1945“, Washington (Institute for Palestine Studies) 1995.

5 Peter W. Rodman, „A Process With Little Prospect for Peace“, The Washington Post National Weekly Edition, 29 April bis 5. Mai 1996.

6 Siehe dazu: „Congress Mulls Additional Pressure on Syria“, Washington Jewish Weekly, 30. Mai 1996.

7 Im vollen Wortlaut ist dieser Brief zitiert bei William B. Quandt, „Peace Process. American Policy and the Arab-Israeli Conflict since 1967“, Washington D.C. (The Brookings Institution) 1993.

8 Über diese Diskussion informiert „Le peuple irakien première victime de l'ordre américain“ von Eric Rouleau, Le Monde diplomatique, November 1994.

9 So sind die USA, was die Entwicklungshilfe angeht, in der Statistik der OECD hinter Japan, Deutschland und Frankreich auf den vierten Rang zurückgefallen. Setzt man die Hilfsprogramme in Relation zum Bruttosozialprodukt, liegen die USA sogar auf dem letzten Platz. Interessant ist auch, daß bei der Entwicklungshilfe für die palästinensischen Autonomiegebiete die europäischen Länder eindeutig an der Spitze liegen.

10 Siehe dazu: „How Western's Credits Underwrite Iran's Mullahs“, Iran Report Nr. 4, Washington (Aipac), 20. Februar 1996; siehe auch „Influencing Business Becomes Aipac's Affair“, Wall Street Journal, 18. Juni 1996.

11 Der verabschiedete Wortlaut war dann milder als die ursprünglich vom Senat gebilligte Fassung: Vor allem in bezug auf Libyen beschränkte man sich darauf, die Umsetzung der Resolutionen des Sicherheitsrats zu verlangen. Außerdem wurde die Gültigkeit der Beschlüsse auf fünf Jahre begrenzt – eine Reaktion auf die Kritik der Europäer, die, mit Blick auf die Situation im Irak, betonten, man wisse immer nur, wann Sanktionen einsetzten, aber nie, wann sie beendet würden.

12 Die beiden Staaten hatten jedoch erheblichen Anteil an der Finanzierung der Operation „Desert Storm“.

13 Siehe Benjamin Netanjahu, „Paix et sécurité. Pour en finir avec le terrorisme“, Paris (L'Archipel) 1996.

Le Monde diplomatique vom 12.07.1996, von Alain Gresh