Fernseh-News im Computer
WIRD es dem Internet langfristig gelingen, ein preiswerter und freier Kommunikationsraum zu bleiben, der den Bürgern offensteht und in dem die großen Haie der Medienbranche nichts zu suchen haben? Man darf es bezweifeln. Es genügt zu sehen, mit welchem Ingrimm der Software-Gigant Microsoft (Hersteller von DOS, Word und Windows) derzeit diesen Markt zu erobern sucht.
Einen Monat nachdem Microsoft im Cyberspace ein anspruchsvolles und originelles Informationsmagazin namens Slate gestartet hat, unternimmt die Firma von Bill Gates den nächsten Schritt als Anbieter von Inhalten, und zwar gemeinsam mit dem amerikanischen Fernsehkanal National Broadcasting Company (NBC, der zu General Electric gehört), dessen Fernsehnachrichten die höchste Einschaltquote in den USA verzeichnen können.
Die beiden Kommunikationsriesen haben gemeinsam nahezu eine Milliarde Dollar investiert, um ein Nonstop-Informationsnetz neuen Typs auf die Beine zu stellen, eine Art „Telecybervision“, bei der zum ersten Mal Fernsehen und Computer verbunden werden. Dieses zukunftsträchtige Netz mit dem Namen MSNBC (Microsoft-National Broadcasting Company) verbreitet Informationen, die man im Fernsehgerät (über Kabel) sehen oder als Bildschirmtext am Computerbildschirm lesen oder, schließlich, auf einem Internet-Web-Site in Bild und Ton betrachten kann (http://www.msnbc.com). Kurz: fortan kann man ununterbrochen Fernsehnachrichten auf seinem Computer empfangen.
MSNBC startete am 15. Juli mit einem Gespräch mit Präsident Clinton, der im Moment im Wahlkampf steht und auf die Fragen des Starmoderators Tom Brokaw antwortete. Einige der Fragen waren zuvor von Bürgern per elektronischer Post über das Internet formuliert worden, was manche Kommentatoren veranlaßte, das Ganze als erstes „interaktives Gespräch“ des Präsidenten zu bezeichnen.
DIESES Netz der Nonstop-Information via Fernsehen und Computer will dem Fernsehkanal CNN direkte Konkurrenz machen und zeugt von dem harten Krieg, den die großen Industriekonzerne um die Kontrolle des Informationsmarktes führen. Daß Microsoft die Kontrolle über das Internet gewinnen will, bestätigt sich auch durch die jüngste Ankündigung von Bill Gates, daß ein neues Online- Programm im World Wide Web lanciert werde: „Cityscape“, ein Informationsdienst mit allen nützlichen Auskünften zu den amerikanischen Großstädten, mit Verkehrshinweisen und vor allem Stellenanzeigen für Führungskräfte. Diese Sparten machen ungefähr 35 Prozent der Einnahmen der großen amerikanischen Tageszeitungen aus, die mit dem Microsoft-Angebot eine neue Existenzbedrohung für sich heraufziehen sehen. Und auch, so die Befürchtung vieler Bürger, eine neue Gefahr für die Informationsvielfalt.
NANCY DOLHEM