13.09.1996

Giftmüll für die Welt

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Giftmüll für die Welt

IM Oktober 1986 lief die Khian-Sea Richtung Haiti mit einer Ladung aus, die als 14000 Tonnen Düngemittel aus den Vereinigten Staaten deklariert war. In Wirklichkeit wurden giftige Verbrennungsrückstände aus der städtischen Müllverbrennungsanlage von Philadelphia transportiert. Das Schiff irrte monatelang im Atlantik und dem Indischen Ozean umher. Da es von allen fünf Kontinenten abgewiesen wurde, warf dieses Geisterschiff schließlich im Mai 1988 seinen Anker unweit des Ortes, von dem es ausgelaufen war – inzwischen war es gelungen, die gefährliche Fracht irgendwo zwischen Singapur und dem Suezkanal loszuwerden.

Dutzende anderer Skandale, bei denen es um betrügerische Exportgeschäfte in die Länder der Dritten Welt geht, sind seither durch die Umweltschutzverbände angeprangert worden. Infolge dieser Enthüllungen kamen im März 1989 in Basel unter der Schirmherrschaft des Programms der Vereinten Nationen für die Umwelt (PNUE) Delegationen aus 115 Ländern zusammen, um den Versuch zu unternehmen, die Ausfuhr gefährlicher Abfälle aus den reichen Ländern in den Süden einzuschränken. Für einige Industriemächte geht es aber in Wirklichkeit darum, diese Praxis beizubehalten, indem man sie zum gewinnbringenden Export verharmlost. Eine Vereinbarung, die den grenzüberschreitenden Transport von gefährlichen Abfällen begrenzt und regelt, wurde am 22. März 1989 in Basel von 35 Staaten unterzeichnet, darunter auch von Frankreich und der EG; sie trat am 5. Mai 1992 in Kraft. Letzten September hatten sie schon 84 Länder, darunter auch die meisten OECD-Staaten mit Ausnahme der USA, ratifiziert.

Aber aus der Sicht der Regierungen, die solche Transfers prinzipiell ablehnen, ist die Unterschrift unter diesen Text nur ein erster Schritt. Am 22. September 1995, anläßlich der dritten Konferenz der Unterzeichnerstaaten, wurde eine neue Bestimmung eingeführt. Sie sieht ab dem 31. Dezember 1997 das völlige Verbot der Verbringung bestimmter Produkte aus den Ländern der OECD oder aus diesen gleichgestellten Ländern vor. Bislang ist sie allerdings noch nicht ratifiziert worden. Was zudem fehlt, ist die Erstellung einer Liste, auf der, als Zusatz zum Abkommen, die fraglichen Abfälle aufgeführt werden müssen.1

Die Unternehmer in Sachen Wiederaufbereitung sind daran interessiert, ihre Verkäufe in die Dritte Welt fortzusetzen, und ihre Vertreter nehmen als Beobachter an den Verhandlungen teil. Wenn man Greenpeace glauben darf, lehnen diese Interessengruppen, unter ihnen die Internationale Handelskammer (CCI), das Internationale Recyclingbüro (BIR), die Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände in Europa (Unice) und die Industrien, in denen Metallrückstände anfallen, ein totales Verbot ab.2 Ihre Taktik besteht darin, die Maschen im Netz zu erweitern. Alles wird davon abhängen, in welcher Weise die Verzeichnisse für gefährliche Abfälle abgefaßt sein werden.

1 Die Baseler Konvention sollte zwei Zusatzprotokolle enthalten: Der Zusatz A enthält die Liste der Abfälle, für die ein Exportverbot besteht, der Zusatz B enthält die Liste jener Abfälle, die unter Vorbehalt der jeweiligen Landesgesetze exportiert werden können.

2 Vgl. Greenpeace, „Giftmüllexporte in die armen Länder“, Genf, März 1995 und „Infragestellung der Baseler Verbote. Text zur Vorbereitung der dritten Teilnehmerkonferenz“, Genf, 18.–22. September 1995.

Le Monde diplomatique vom 13.09.1996