13.09.1996

Gefährliche Altlasten

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Gefährliche Altlasten

WO auf ehemaligen oder noch bestehenden Fabrikgeländen und Müllkippen in ungesicherter Form gefährliche Giftstoffe gelagert wurden, gelten die Böden als verseucht. In Deutschland betrug die Zahl solcher „schwarzen Flecken“ zwischen 10 und 15 Prozent der 139200 erfaßten verdächtigen Standorte. Seit 1990 wurden bereits 1,5 Milliarden Mark für die Erstellung von Studien oder für Sicherungsmaßnahmen ausgegeben, 2,1 Milliarden würden die nötigen Sanierungsmaßnahmen kosten.

In den Niederlanden schätzt man die Zahl der verseuchten Standorte auf 110000, von denen 1000 bereits saniert worden sind. 1,5 Milliarden Mark wurden investiert, 4,5 Milliarden dürften im Laufe der nächsten zehn Jahre hinzukommen, um sich allein der dringendsten Fälle anzunehmen. Großbritannien hat keine nationale Liste erstellt. Die für verseuchte Standorte zuständige Behörde, das Survey of Derelict Land, schätzt das zu sanierende Gebiet auf 40495 Hektar.

In Frankreich konnte 1992 eine auf Anforderung von Ségolène Royal, der damaligen Umweltministerin, erstellte Erhebung erst 100 solcher schwarzen Flecken feststellen. 1994 lag ihre Zahl bereits bei 669, davon waren 55 offiziell für „verwaist“ erklärt worden, das heißt, daß niemand mehr für sie haftbar gemacht werden kann. Tatsächlich besteht nach Angaben des Umweltministeriums bei 10 bis 15 Prozent der 250000 ehemaligen Industriegelände ein entsprechender Verdacht.

Nach dem Barnier-Gesetz vom Februar 1995 werden die Maßnahmen zur Sanierung der verwaisten schwarzen Flecken durch die Umwelt- und Energiebehörde Ademe ausschließlich aus einer Steuer auf den industriellen Sondermüll finanziert, der in kollektive Entsorgungszentren verbracht wird. Diese Steuer hat 1995 ungefähr 65 Millionen Franc eingebracht, 1996 sollen es 80 Millionen werden, was immer noch lächerlich wenig ist. Zudem mußten seit einem Jahr alle Sanierungsmaßnahmen der Ademe in Frankreich eingestellt werden: Die Verordnung, die die Schaffung eines Verwaltungsgremiums für die Erhebung dieser Steuer regeln soll, ist immer noch nicht veröffentlicht worden...1

Der jährliche Umsatz bei der Sanierung der Böden in Frankreich wird auf ungefähr 350 Millionen geschätzt. Er dürfte in den nächsten fünf Jahren auf 7 Milliarden Franc steigen, in ganz Europa auf 30 Milliarden. Frankreich scheint in diesem Bereich, wenn man beispielsweise nach Deutschland oder den Niederlanden blickt, sehr rückständig zu sein. Doch internationale Vergleiche sind schwierig, weil europäische Definitionen oder Vorschriften für den Umgang mit verseuchten Standorten fehlen.

1 Es ist zu hoffen, daß die Veröffentlichung beschleunigt wird... Am 3. Mai 1996 wurde in einem Viertel von Bordeaux, dem Wahlkreis von Alain Juppé, eine Bodenverseuchung entdeckt, die durch zweihundert Tonnen Öl verursacht wurde, das mit Pyralen versetzt war. Eine Reparaturfirma für elektrische Anlagen, die am 27. Juni 1994 liquidiert worden war, hatte dort schadhafte Kanister illegal gelagert.

Le Monde diplomatique vom 13.09.1996