17.01.1997

100 Jahre Krieg und Gewalt

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100 Jahre Krieg und Gewalt

DIE jüngere Geschichte Eritreas beginnt 1889 mit der italienischen Besatzung, die zwar alle Merkmale des Kolonialismus trägt, aber mit einer wirtschaftlichen und politischen Entwicklung einhergeht, die in den umliegenden Ländern ihresgleichen sucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg kommt Eritrea unter britische Verwaltung. Fast die gesamte Infrastruktur seiner Eisenbahn-, Industrie- und Hafenanlagen wird verkauft oder demontiert. 1952 beschließen die Vereinten Nationen, das stark geschwächte Land mit Äthiopien zu einer Föderation zusammenzuschließen.

Dem Abkommen mit Kaiser Haile Selassie zufolge hätte Eritrea eine gewisse Autonomie zugestanden werden müssen, doch sehr bald zwingt der Negus dem Land seine brutale Herrschaft auf und annektiert es. Die Repression nimmt ihren Lauf, mit niedergebrannten Dörfern und dem Massenmord an der Bevölkerung; der Widerstand organisiert sich. 1961 wird die Befreiungsfront Eritreas (ELF) gegründet und 1970 die Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF), eine marxistische Abspaltung der ELF, die die Führung des Kampfes übernimmt. Sie ist international isoliert und setzt sich aus eigener Kraft gegen die beiden Supermächte zur Wehr: zuerst gegen die Vereinigten Staaten, die Haile Selassie bis zu seinem Sturz 1974 unterstützen, dann gegen die Sowjetunion, die sich bedingungslos hinter den neuen starken Mann, Mengistu Haile Mariam, stellt, dessen blutige Diktatur 1991 endet. Berücksichtigt man die katastrophalen Dürren und Hungersnöte der achtziger Jahre, läßt sich der siegreiche Widerstand der EPLF nur anhand ihrer organisatorischen Fähigkeiten und ihrer Verankerung in der Bevölkerung erklären.

Le Monde diplomatique vom 17.01.1997