Pächter im eigenen Land
DIE Post, die Eisenbahn und das Telefon stellen in Neuseeland längst nicht mehr die Verbindungen her, für die sie ins Leben gerufen wurden. Zwar ist die Post nach wie vor ein öffentliches Unternehmen, doch ein äußerst „effizientes“: Am 5. Februar 1988 um 17 Uhr schlossen 432 Postämter (mehr als jedes dritte) für immer die Schalter. Sie waren nicht mehr rentabel. Daß es einen öffentlichen Auftrag für Dienstleistungsunternehmen geben könnte oder daß es nicht angeht, ganze Gemeinden von einem direkten Zugang zu ihren Sparguthaben abzuschneiden – solche Erwägungen kümmerten die Verantwortlichen nicht. Wenn heute die Post privatisiert würde, „würde sich nichts ändern“.
Die Eisenbahngesellschaft New Zealand Railways hingegen ist ein Privatunternehmen. Doch von Fortschritt keine Spur. Auf dem Bahnhof von Auckland, der größten Stadt des Landes, ist kaum etwas los. In den riesigen Hallen verlieren sich die wenigen Reisenden, die auf einen Zug warten – vier Züge täglich kommen hier an. Das Gebäude ist im Art-deco-Stil gehalten, es herrscht das Tempo des 19. Jahrhunderts, an der Gepäckaufgabe muß man warten. Nur die Fahrpreise sind ganz von heute: 129 Neuseeland-Dollar (150 Mark) für die 600 Kilometer zwischen Auckland und Wellington. Immerhin kann man in aller Ruhe genießen, was man geboten bekommt: Elf Stunden dauert die Fahrt in die Hauptstadt. Eigentümer der Bahn ist eine amerikanische Gesellschaft, Wisconsin Railways.
Seit 1990 gehört auch Telecom New Zealand, das größte Unternehmen des Landes, zwei US-Gesellschaften (Bell Atlantic und Ameritech). Ihr Kauf hat sich gelohnt: Jahr für Jahr stiegen die Gewinne. Die Kapitaleinlagen sind längst zurückgezahlt. Die Teilnehmergebühren (ca. 40 Mark/ Monat) sind alles andere als ein „Kampfpreis“, aber es handelt sich schließlich um ein privates Monopol.
Auf die Konsumenten mag das alles ein wenig schockierend wirken, aber die Aktionäre sind hochzufrieden. 1996 lag die Gewinnausschüttung der Telecom bei 92,3 Prozent. Doug Woolerton, Abgeordneter der New Zealand First Party, zieht ernüchtert Bilanz: „Wir laufen Gefahr, Pächter auf dem eigenen Grund und Boden zu werden. Dabei sind wir wirklich nicht dazu da, daß Amerika reich wird.“