16.05.1997

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AM 5. Juni wählen die algerischen Bürger ein neues Parlament. Es sind die ersten Parlamentswahlen seit dem Januar 1992, als die Armee intervenierte, weil sich ein Sieg der Islamischen Heilsfront (FIS) im zweiten Wahlgang abzeichnete. Nach dem Wahlgesetz, das Anfang März 1997 vom Nationalen Übergangsrat (CNT), dem von den Machthabern eingesetzten Parlament, beschlossen wurde, gilt nun anstelle der Mehrheitswahl mit zwei Wahlgängen das Verhältniswahlrecht.

Das künftige Parlament wird weiterhin zwei Kammern haben und über 524 Sitze verfügen. 8 Sitze sind den Wählern im Ausland vorbehalten, die Hauptstadt Algier stellt 24 Abgeordnete. Im Unterhaus (380 Sitze) finden sich die gewählten Volksvertreter; ihre Entscheidungen können jedoch durch das Oberhaus (144 Sitze) aufgehoben werden, dessen Mitglieder zu einem Drittel von Staatspräsident Liamine Zéroual eingesetzt werden.

Bei den Wahlen tritt eine neue Partei an, die Nationale Vereinigung für die Demokratie (RND): Sie wird von Persönlichkeiten getragen, die aus der einflußreichen Nationalen Organisation der Mudschaheddin (ONM) stammen, und man darf damit rechnen, daß sie den Wahlsieg erringen und dem Staatspräsidenten eine bequeme Parlamentsmehrheit sichern wird. Platz zwei dürfte voraussichtlich die Soziale Bewegung für den Frieden (die ehemalige Hamas) von Scheich Mahfud Nahnah einnehmen.

Zur Wahl stellen sich auch die Front der Sozialistischen Kräfte (FFS) unter ihrem Führer Ait Ahmed und die Partei der Arbeit von Louisa Hanoune, während andere Oppositionskräfte, wie Ahmed Ben Bellas Bewegung für Demokratie in Algerien (MDA), nicht antreten werden. Die Islamische Heilsfront (FIS) hat zum Wahlboykott aufgerufen, jedoch anläßlich der Konferenz von Madrid am 12. und 13. April in sehr deutlicher Form durch ihren Auslandssprecher Abdelkrim Uld Adda die Gewaltakte der „verbrecherischen GIA“ gegen die Zivilbevölkerung und Unschuldige verurteilt.

Le Monde diplomatique vom 16.05.1997