12.12.1997

Schweiz und Österreich

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Schweiz und Österreich

WÄHREND alle europäischen Länder Fahrzeuge mit bis zu 44 Tonnen Gesamtgewicht zulassen, behielt die Schweiz das Gewichtslimit von 28 Tonnen für Lastwagen bei und verhängte ein Nachtfahrverbot (22 Uhr bis 5 Uhr) sowie ein Sonn- und Feiertags-Fahrverbot für schwere Laster. 1992 schlossen die EU und die Schweiz ein Transitabkommen, das 1993 in Kraft trat und bis 2005 gültig ist. Darin akzeptiert die EU das 28-Tonnen-Limit. Gleichzeitig verpflichtet sich die Schweiz, die Bahninfrastruktur auszubauen und insbesondere den kombinierten Verkehr zu fördern. Ebenfalls 1992 bewilligte das Schweizer Volk einen Kredit von 15 Milliarden Franken für den Bau der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), welche die Grundlage für eine massive Kapazitätssteigerung für den Bahnverkehr durch die Alpen bildet. Die Neat besteht aus je einem neuen Alpenbasistunnel unter dem Gotthard und dem Lötschberg, die im Jahr 2005 fertiggestellt sein sollten. 1994 genehmigte das Schweizer Volk zudem die „Initiative zum Schutz der Alpen“. Diese verlangt, daß der alpenquerende Transitverkehr durch die Schweiz auf die Schiene verlagert werden muß (was dem Bau der Neat erst Sinn verleiht) und daß die Straßenkapazität nicht weiter ausgebaut werden darf.

Ob die Neat und die Alpeninitiative je in die Tat umgesetzt werden, ist heute offen, nicht zuletzt weil die EU weiterhin – und entgegen dem Transitabkommen – freie Fahrt für Vierzigtonner durch die Schweiz verlangt und als Kompensation nur eine spärliche Transitgebühr akzeptiert. Es wird verhandelt.

ÖSTERREICH hat 1992 einen eigenen Transitvertrag mit der EG abgeschlossen. Damit soll bis zum Jahr 2003 der Schadstoffausstoß im alpenquerenden Straßentransport, insbesondere die Stickstoffoxid-Emissionen, um 60 Prozent reduziert werden. Dazu hat Österreich sogenannte Ökopunkte eingeführt, welche den Transitverkehr begrenzen und Lastwagen mit niedrigem Schadstoffausstoß bevorzugen. Da die Zahl der Ökopunkte zu hoch angesetzt wurde, bleibt fraglich, ob das Ziel erreicht wird. Österreich, das bereits drei „Rollende Landstrassen“ anzubieten hat (Brenner, Tauern, Schoberpaß), plant ebenfalls weitere Investitionen zum Ausbau des Schienenverkehrs, insbesondere einen Basistunnel unter dem Brenner-Paß. Doch auch die Realisierung dieses Projekts steht in den Sternen.

Auch die EU redet von der verursachergerechten Abwälzung aller Transportkosten, dem Ausbau der Bahnen und der Förderung des Kombinierten Verkehrs. Doch die Schweiz und Österreich sind die einzigen Länder in Europa, die wenigstens im Grundsatz eine weniger umweltbelastende Verkehrspolitik beschlossen haben. Ob sie umgesetzt wird, ist aber fraglich angesichts des starken Drucks der europäischen Straßentransport-Lobby.

B. SCH. / H. G.

Le Monde diplomatique vom 12.12.1997, von B. SCH. und H. G.