Sozialisierung der Verluste
MEXIKO ist das Land, in dem die ökonomische Vernunft sich durchzusetzen vermochte, nur die Politik ist dort nicht kühn genug: Die Privatisierung des Straßensystems – in Regie der Gesellschaften für öffentliche Bauten und Arbeiten (BTP), die neue Bauabschnitte finanzieren und entsprechende Mautgebühren eintreiben – sollte eine moderne Infrastruktur errichten, ohne daß öffentliche Mittel dafür verwandt würden. Der alte Präsident, der brillante Ökonom Carlos Salinas de Gortari, hatte die Privatisierung der Autobahnen zu einem Schlüsselprojekt seiner Liberalisierungspolitik gemacht. Als seine Amtszeit 1994 zu Ende ging, gratulierte er sich zu seinem kühnen Konzept und registrierte zufrieden: Ohne daß er auch nur einen Pfennig ausgegeben hatte, waren 6000 Kilometer ultramoderner Autobahn entstanden.
Doch auf die Euphorie aus der Amtszeit Salinas' (1988-1994) folgte der Katzenjammer: Die großen BTP-Gesellschaften gerieten in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten. Sie hatten die Fehler begangen, die man gemeinhin den Planern im öffentlichen Sektor zuschreibt: Unterschätzung der Kosten (um durchschnittlich 26 Prozent), zu ehrgeizige Projekte, unrealistische Prognosen und Mautgebühren. In einem Land, in dem der durchschnittliche Tageslohn unter einem Dollar liegt, mußte man beispielsweise 45 Dollar pro Pkw oder 200 Dollar pro Lkw zahlen, um die 250 Kilometer zwischen Cuernavaca und Acapulco zurückzulegen. Das Ergebnis: Die Autobahnen sind zwar vorzüglich, aber höchst spärlich befahren.
Im August 1997 beschloß das mexikanische Parlament auf die schnelle (bevor sich am 1. September der neue, von der Opposition dominierte Kongreß konstituierte), die BTP und ihre Banken zu retten. Der Staat werde die Schulden begleichen und außerdem 23 von 52 Maut-Autobahnabschnitten übernehmen, wobei die rentablen Abschnitte in den Händen der privaten Gesellschaften verblieben. Der Staat beschränkte sich also darauf, die Autobahnen zu sanieren und den Verkehr zu fördern (eine Kürzung der Mauttarife um 15 bis 30 Prozent sollte ein höheres Verkehrsaufkommen und damit mehr Einnahmen bewirken), um sie anschließend wieder dem Privatsektor zu überlassen. Diese Lösung befreite die BTP-Gesellschaften (Empresas ICA, Grupo Mexicano de Desarrollo, Grupo Tribasa, Protexa usw.) von einer Finanzlast, die sie gehindert hatte, ihren Expansionskurs fortzusetzen – in Mexiko und anderswo. Die Kosten für den Staatshaushalt: 8 Milliarden Dollar. Seitdem müssen die Steuerzahler für Autobahnen blechen, deren Benutzung sie sich nicht leisten können.
IBRAHIM WARDE