Weltraumplattformen für den elektronischen Krieg
WAFFEN und Munition sind inzwischen nur noch Teil eines komplexen Gesamtgefüges, dessen Komponenten dauerhaft verknüpft sind und automatisch und auf vorprogrammierte Weise miteinander kommunizieren. Langfristig sollen die US-amerikanischen Streitkräfte laut Admiral William Owen in ein „Systemsystem“ (ein integriertes elektronisches Gesamtsystem) verwandelt werden. Jeder einzelne Soldat, jedes Waffensystem, jedes Informationssystem wird angeschlossen sein an eine Art gigantisches Intranet (internes Kommunikationsnetz eines Unternehmens), das Informationen und Vorgänge in Echtzeit zur Verfügung stellen wird, (Multimedia-Verkehr, automatische Waffenführungssysteme, Hilfsmittel für den Anwender, sowohl zur Analyse als auch zur Entscheidungsfindung und so weiter). Diese Entwicklungen beruhen auf riesigen, bereits erzielten oder absehbaren Fortschritten im Bereich etwa der Informationstechnologien, der Werkstoffe und Strukturen, der Energie, der Antriebstechnik und so weiter. Der sprunghafte Fortschritt in der Mikroelektronik dürfte bis zum Jahre 2020 dazu führen, daß sich die Rechenkapazität wie auch die Speicherkapazität für digitale Informationen ungeheuer erweitern werden.
Globale Gefechtsfeldaufklärung
Die globale Aufklärung aller denkbaren Gefechtsfelder ist eine entscheidende strategische Voraussetzung, um mittels in mehreren Dimensionen gewonnener Informationen einen Kampfeinsatz zu simulieren, vorzubereiten und durchzuführen. Die immer genauere Digitalisierung der Topographie unseres Globus, und damit aller denkbaren Gefechtsfelder, hat inzwischen höchste Priorität erlangt. Die Fortschritte in der Mikrotechnologie erlauben es, ganze Schwärme von Spionage- und Beobachtungsmikrosatelliten und zahlreiche Bodensysteme einzusetzen (so lassen sich Tausende von autonomen akustischen, magnetometrischen, infrarot- und wärmegesteuerten Minisensoren in speziell programmierten Satelliten aktivieren).
Zur Zeit sind Programme für ferngelenkte Flugkörper im Erprobungsstadium, die solche Aufgaben selbst übernehmen können; die derzeit eingesetzten bemannten Spionageflugzeuge vom Typ J-Stars sind allerdings schon sehr leistungsfähig; so kann jedes von ihnen Bewegungen auf einem Territorium von etwa 250000 Quadratkilometern überwachen. Manchmal werden sie von sogenannten Drohnen unterstützt (kleinen ferngesteuerten Flugzeugen, die zum Beispiel auch in Bosnien eingesetzt werden). Frankreich ist den USA in diesem sehr wichtigen Bereich auf den Fersen: Die Mars-HAGV-Drohne ähnelt einem Marschflugkörper und dient der Aufklärung feindlicher Stellungen in der Tiefe des Raumes. Sie wird mit dreifacher Schallgeschwindigkeit fliegen, von einem Rafale-Kampfflugzeug aus gestartet, aber von einer festen Leitzentrale am Boden gesteuert werden. Sie wird mit Radar- und / oder Fernmeldeaufklärungssensoren bestückt und unabhängig von den meteorologischen Bedingungen Tag und Nacht einsatzbereit sein, weil sie mit anderen Systemen wie Aufklärungsflugzeugen und Satelliten verkoppelt sein wird.
Einsatz innerhalb von drei Stunden
Die US-amerikanischen Strategen haben den Ehrgeiz, ihre Erstschlagskapazität überall und unter allen Umständen aufrechtzuerhalten. Deshalb soll ein erfolgreiches Eingreifen vom eigenen Staatsgebiet aus in höchstens drei Stunden an jeder Stelle der Welt gewährleistet sein. Dafür sind im einzelnen erforderlich: Überschalltransportflugzeuge, mit denen sie die Raketen und die Offensivdrohnen zum Einsatzort bringen können; bemannte Flugzeuge zum Absetzen von Fallschirmtruppen; Waffensysteme mit neutralisierender und zerstörender Wirkung, die mit gelenkter Energie (Laser, elektromagnetische Wellen und so weiter) operieren.
Kampfdrohnen
Die Generalstäbe hoffen, bis zum Jahr 2020 über ferngesteuerte Drohnen zu verfügen, die Schläge mit noch höherer Präzision ermöglichen, weil sie mit ihrer Munition noch viel genauer treffen.
Schon zehn Jahre vorher will die US-Luftwaffe neue Typen von Kampfdrohnen entwickelt haben, weil diese Flugmanöver jenseits der Schwerkraftbelastung gestatten, die der menschliche Körper aushalten würde. Ein solches unauffälligeres (kein Cockpit) und „hypermanövrierfähiges“ unbemanntes Kampfflugzeug (UNCAV) soll dann in der Lage sein, den Flugzeugabwehrraketen auszuweichen, die gegen sie eingesetzt werden.
Die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa hat im September 1994 ein längerfristiges Programm (Erast) begonnen, das eine Drohne entwickeln soll, die sich mehrere Tage lang in 30 Kilometer Höhe in der Luft halten kann.
Weltraumwaffen
Als vierte Dimension des Kriegs gewinnt der Weltraum in strategischer und taktischer Hinsicht eine immer wichtigere Rolle. Die Satellitentechnik ermöglicht es ja tatsächlich bereits heute, „zu kommunizieren, zu sehen und zu hören“, und demnächst wird man mit ihr auch angreifen und sich verteidigen können.
Bis 2025, versichern die Väter des Programms „Air Force 2025“, wird die Weltraumdimension fest in die Operationen der Luftwaffe integriert sein. Bis dann soll nämlich die Mehrzweckplattform S3 im Weltraum stationiert sein, von der aus folgende Komponenten operieren können: Drohnen, die Waffensysteme abwerfen, bemannte Überschalljagdflugzeuge, Überschall-Marschflugkörper sowie transatmosphärische Flugzeuge, die zum einen Satelliten auf ihre Umlaufbahn bringen oder reparieren können, zum anderen aber auch zum Angriff auf feindliche Raumstationen taugen.
Die „Mikrorevolution“
Am strategischen Horizont des Jahres 2025 sieht das Pentagon eine Welt aufscheinen, in der Exterminator-„Ameisen“ und -„Wespen“, Ultramini-Nanoroboter und winzige Sensoren (einige von ihnen mobil, da von Mikromotoren angetrieben) zum Einsatz kommen. Letztere werden in der Lage sein, in alle Gebäude, Kommandoeinrichtungen, EDV-Kommunikationsknotenpunkte und so weiter einzudringen oder diese gleichsam wie Mikrodrohnen zu überfliegen und damit lahmzulegen oder zu stören.
Lenkmunition
Zur Steigerung der Präzision und Wirksamkeit von Luftangriffen und Raketenschlägen entwickeln die US-amerikanischen Labors eine neue Generation von Lenkmunition. Die Kombination aus digitalisierten Landkarten, Positionierung mit Hilfe des Global Positioning System (GPS) und versteckter Funkstationen am Boden soll es bis 2020 ermöglichen, militärische Gefechtsköpfe mit zehn- bis hundertmal größerer Präzision als heute ins Ziel zu bringen.
Die Technologie der Mikro-Formgebung wird es übrigens bald gestatten, kostengünstig elektronische Minikomponenten herzustellen, die unmittelbar in die Systeme integriert sein sollen. Die Kombination von Sensoren / Auslösern (die Informationen sammeln, die Umgebung überwachen und Alarm wie auch sofortige Reaktionen auslösen) und neuen Energieträgern läßt in absehbarer Zeit erwarten, daß man auch gesteuerte Gewehrmunition herstellen kann.
Laserwaffen
Dies ist die einzige wirklich neue Kampftechnologie. Auf der Erde können Laserstrahlen mit einem „Katzenaugeneffekt“ die Landschaft abtasten und elektro-optische Systeme ausmachen, die vom Radar bislang nicht zu erfassen waren. Daher können Heckenschützen nicht mehr auf der Lauer liegen, ohne selbst gesehen zu werden. Bestimmte Gewehre sind bereits mit Laserstrahlen ausgerüstet, die mittels Computer die Flugbahn berechnen, damit kann man einen verborgenen Schützen selbst dann treffen, wenn er hinter einem Fenster sitzt.
Die berühmten „Todesstrahlen“ gehören nicht mehr ins Reich der Science-fiction. Sie werden immer häufiger eingesetzt, um Menschen blind zu machen oder zu blenden (obwohl blind machende Waffen von der Genfer Konvention verboten sind), vor allem aber gegen gegnerisches Material und Waffensysteme. Die USA entwickeln derzeit eine auf eine Boeing 747 montierte Laserwaffe zur Zerstörung von Scud-Raketen. Der satellitenzertrümmernde Laser Miracle hat unlängst seine spektakuläre Feuerprobe bestanden. Längerfristig planen die „Forscherhirne“ der US-amerikanischen Luftwaffe die Entwicklung eines Hochenergielasers (HEL), einer Weltraumstation mit chemischen Laserwaffen, die offensiv und defensiv einsetzbar und auf Ziele am Boden, in der Luft oder im Weltraum gerichtet sein werden. Ein Modell mit niedrigerer Energie ist zur Überwachung vorgesehen: Mit etwa zwanzig Hochenergielasern ließe sich die Erdoberfläche vollständig kontrollieren.
Unauffälligkeit
Angesichts der erheblich leistungsfähigeren Ortungstechniken (Radar, Sonar und so weiter) wurden neue Verfahren entwickelt, um Brechungswellen abzuschwächen: eine veränderte Konstruktion der Flugkörper (Langstreckenraketen, Flugzeuge), aber auch von Schiffen, Kampfpanzern und so weiter; weniger Lärm- beziehungsweise Hitzeentwicklung; neue radarabsorbierende Werkstoffe.
Neue Kampfflugzeuge
Die mittel- und langfristigen Programme des Pentagons umfassen die Entwicklung von Kampfflugzeugen, die hochmanövrierfähig (und zwar zwar gleichzeitig um alle Achsen), dazu elektronisch geschützt und mit Strahlenwaffen und polyvalenten Sensoren ausgestattet sind.
Elektronischer Krieg
Die Mittel des Informationskrieges machen es möglich, Computersysteme der – zivilen und militärischen – strategischen Infrastruktur zu sabotieren und in die Systeme einzudringen, um Spionagemissionen zu militärischen und wirtschaftlichen Zwecken durchzuführen. Hauptwaffen sind dabei Viren (Programme, die im Netz zirkulieren und immer mehr Computer und Programme infizieren und schließlich lahmlegen sollen, indem sie den gesamten Speicherplatz füllen), Fallen (heimlich installierte Systeme, um die Schutzmechanismen zu umgehen), „Trojanische Pferde“ (in anderen Programmen versteckte Programme, die den Inhalt eines Computers zerstören können), „logische Bomben“ (Programme, die Viren in ein System plazieren, die dann aus der Ferne aktiviert werden können oder sich bei Anwendung bestimmter Programme oder bei Ausführung bestimmter Befehle einschalten und wie ein Zünder wirken), Hyperfrequenzkanonen (Funkimpulse, die elektronische Komponenten stören) und elektromagnetische Wellen, also auf einem Flugkörper plazierte (oder demnächst auch von Infanteristen aufs Gefechtsfeld transportierte) Mikrowellenkanonen, die einen sehr kurzen, extrem heftigen Impuls abgeben, der ein elektronisches System lahmlegen kann (die Steuerung eines Flugzeugs, Panzers, Schiffes oder den Zündungsmechanismus von Raketen und anderen Waffensystemen).
Psychologische Kriegführung
Die Informationsrevolution revolutioniert auch die Instrumente der „psychologischen Kriegführung“. Bei der Intervention in Haiti 1994 hatten die Sondereinheiten ein Tonband vorbereitet, mit dem sie die Voodoo-Anhänger gewinnen wollten: Aus digitalisierten Elementen der Papa-Doc-Stimme bastelten sie eine Rede, worin der tote Diktator gleichsam aus dem Grab heraus seine Untertanen aufforderte, die US-amerikanischen Truppen als Wohltäter zu begrüßen. Außerdem waren in Haiti mehrere GI-Einheiten mit digitalen, auf die Helme montierten Minikameras ausgerüstet, mit denen sie ihre Umgebung filmten; die Bilder gingen über ein Netz live an den Generalstab in Washington. Unter Auswertung dieser Erfahrungen versucht das Pentagon heute die Grundlagen für eine „Bilderberieselung“ zu schaffen, die im Ernstfall gegen CNN konkurrieren würde, aber natürlich besser zu kontrollieren wäre.
Die Labors der amerikanischen Streitkräfte arbeiten ferner am Einsatz holographischer Bilder, die auf die Ängste und den Aberglauben bestimmter Völker abzielen. Mit einem aus dem Morphing (Bildüberblendung) entwickelten Verfahren wird dabei auch die Möglichkeit erprobt, in Echtzeit in feindliche Fernsehprogramme einzudringen, um Bilder einzuspeisen, Situationen zu erfinden, Gesichter zu verändern und so weiter.
Nach einer Studie des Pentagon könnte das Internet zu einer hervorragenden „Gegeninformationswaffe“ werden, die sich allerdings gleichermaßen auch als Desinformationswaffe eignen würde.
Geometrische Progression
1865 konnte man während des amerikanischen Sezessionskriegs per Telegramm 30 Wörter pro Minute übertragen, und 38830 Soldaten waren nötig, um ein Gefechtsfeld von 10 Quadratkilometern zu kontrollieren. 1915, im Ersten Weltkrieg, übertrug der Telegraph immer noch 30 Wörter pro Minute, während nur 4040 Soldaten erforderlich waren, um 10 Quadratkilometer zu besetzen. Im Zweiten Weltkrieg konnte ein Fernschreiber 66 Wörter pro Minute übertragen, für 10 Quadratkilometer brauchte man nur noch 360 Soldaten. Im Golfkrieg 1991 übermittelte der Computer 192000 Wörter pro Minute, und es reichten 23,4 Soldaten, um eine „Front“ von 10 Quadratkilometern zu halten. 2010 werden die „Kanäle“ der elektronischen Informationssysteme und -netze 1,5 Trillionen Wörter pro Minute übertragen, und die Einheiten werden in Kleingruppen operieren, so daß sie ein Vielfaches an Fläche kontrollieren können.