10.07.1998

Privater Strafvollzug

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Privater Strafvollzug

DIE beispiellose Expansion der Strafjustiz in den USA führt zum Boom einer neuen Branche: der des privaten Strafvollzugs. Obwohl erst seit 1983 zugelassen, werden bereits 5 Prozent aller Inhaftierten in privaten Gefängnissen verwahrt (80000 Insassenplätze im Jahre 1996 gegenüber 15000 Plätzen im Jahr 1990). Bei einer jährlichen Wachstumsrate von 45 Prozent könnte die Branche ihren Marktanteil bis zur Jahrtausendwende verdreifachen und mehr als 200000 Häftlinge zählen (viermal so viele Gefangene wie in französischen Gefängnissen insgesamt).

Insgesamt unterhalten 17 Unternehmen 130 Einrichtungen in bislang zwanzig Bundesstaaten: vor allem Texas, Florida, Tennessee und Arizona. Manche Firmen begnügen sich damit, die Strafanstalten von der öffentlichen Hand zu übernehmen und eigenes Wachpersonal einzustellen. Andere haben ein umfassenderes Angebot: angefangen von der Bauplanung und Ausführung über Finanzierung, Instandhaltung, Verwaltung, Versicherung und Bereitstellung von Personal, reicht es bis hin zur Aufnahme und Verlegung von Gefangenen aus verschiedenen Bundesstaaten. Weil einige Staaten zu viele Gefangene, andere hingegen leerstehende Zellen haben, ist mittlerweile ein blühender „Import-Export-Handel“ mit Strafgefangenen entstanden.

Seitdem die Unternehmen Corrections Corporation of America, Correctional Services Corporation, Securior (alle in London ansässig) und Wackenhut an die Börse gegangen sind, ist dieser neue Wirtschaftszweig an der Wallstreet äußerst begehrt. Der Markt zur Finanzierung von Haftanstalten, staatlichen und privaten, hat ein Volumen von mehr als 3 Milliarden Dollar. Und die Aussichten sind gut: Im Jahre 1996 wurde mit dem Bau von 26 Haftanstalten auf nationaler Ebene und 96 auf Ebene der Bundesstaaten begonnen. Das Branchenblatt Correction Building News hat eine Auflage von etwa 12000.

Die 1870 gegründete American Correctional Association vertritt die Interessen der Branche und organisiert jedes Jahr eine fünftägige Fachmesse für den Gefängnissektor. 1997 stellten 650 Anbieter ihre Produkte und Leistungen in Orlando vor, darunter gepolsterte Handschellen, Kampfwaffen, Schlösser und Gitterstäbe mit Sicherheitsgarantie, Zellenmobiliar wie Liegen und Waschtische, Kosmetikartikel und Lebensmittel, festmontierte Stühle und spezielle Uniformen, um widerspenstige Häftlinge aus ihren Zellen herauszuholen. Im Angebot sind auch Gitter mit tödlicher elektrischer Spannung, Entgiftungsprogramme für Drogenabhängige und Maßnahmen zur Resozialisierung straffällig gewordener Jugendlicher, elektronische und telefonische Überwachungssysteme, Sensoren zur Ortung und Identifizierung von Personen, Computerprogramme zur Datenverwaltung von Personal und Insassen, Gebläse zur Desinfizierung bei Tuberkuloseerkrankung, und nicht zu vergessen: mobile Gefängniszellen, Fertigbau-Gefängnisse und Lastwagen mit Chirurgieausstattung für Notoperationen auf dem Gefängnishof.

L. W.

Le Monde diplomatique vom 10.07.1998, von L.W.