Die Attac-Bewegung
SEIT vor fünf Monaten die „Vereinigung für eine Besteuerung der Finanztransaktionen als Bürgerhilfe“ („Association pour une taxation des transactions financières pour l'aide aux citoyens“ – Attac) gegründet wurde, hat sich diese neuartige Bewegung in der öffentlichen Debatte Frankreichs zunehmend Gehör verschafft. Mehr als viertausend Mitglieder hat sie mittlerweile in Frankreich, und der Zulauf steigt stetig. Beim ersten landesweiten Treffen der Vereinigung am 17. Oktober in La Ciotàt nahe Marseille versammelten sich etwa 1500Personen. Einige Tage später kamen 600 Attac-Mitglieder zu einer Zusammenkunft der Sektion Ile de France im Pariser Salle du Divan du Monde, vierzig regionale Komitees sind in Frankreich in Gründung; vergleichbare Initiativen wurden auch in anderen Ländern längst gegründet.
Die Ziele der Vereinigung lauten gemäß der Gründungserklärung: „Die internationale Spekulation eindämmen, die Kapitalerträge besteuern, Sanktionen gegen Steuerparadiese ergreifen, die Verallgemeinerung der Pensionsfonds verhindern und – auf einer allgemeineren Ebene – die Räume zurückerobern, die der Demokratie zugunsten der Finanzmärkte abhanden gekommen sind, schließlich auf allen Ebenen sich der Tendenz widersetzen, daß zugunsten der „Rechte“ von Investoren und Händlern erneut die Souveränität der Staaten preisgegeben wird.“
KÖNNTE das breite Interesse, das die Bürger und Parlamentarier, die Medien, die Gewerkschaften und regierungsunabhängige Organisationen demonstriert haben, der Grund dafür sein, daß der französische Wirtschafts- und Finanzminister Dominique Strauss-Kahn Anfang Oktober vor der Nationalversammlung dem Haushaltsbericht recht zusammenhanglos eine längere Auslassung gegen die Tobin-Steuer hinzufügte, die ja die Besteuerung der Devisenspekulationen beinhaltet?
Könnte das breite Interesse auch der Grund dafür sein, daß Olivier Davanne, der ehemalige Präsident der Investmentbank Goldman Sachs, in seinem Bericht an den Premierminister sich ebenfalls entschlossen hat, seine Gegnerschaft zu einer derartigen Steuer zu betonen?
Könnte das breite Interesse ferner der Grund dafür sein, daß Strauss-Kahn in der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober unerwartet noch einmal in die Nationalversammlung zurückkehrte, um mit Argusaugen darüber zu wachen, daß im Haushaltsgesetz keine Tobin-Bestimmung verankert werde, obwohl die Abgeordneten seiner eigenen Fraktion ebendies vorgeschlagen hatten? Schließlich hatte Lionel Jospin bereits im Wahlkampf 1995 diese von dem US-amerikanischen Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften James Tobin angeregte Transfer-Besteuerung zu seinem Thema erkoren.
ES scheint, als führe die unter anderem von Attac popularisierte Idee, die skandalösen Gewinne auf den Devisenmärkten zu besteuern, zu einer ungewöhnlichen „heiligen Allianz“ führender Persönlichkeiten aus Finanz und Politik, allesamt schon in der „Festung Bercy“ vereinigt, die drei Jahre lang ihre politische Verantwortungslosigkeit unter Beweis gestellt hat, indem sie heimlich Verhandlungen über das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) führte.
Die Tobin-Steuer ist ein wichtiges Instrument für eine gerechtere Verteilung der Kapitalgewinne, für Attac allerdings nur eine unter anderen dringlichen Maßnahmen.
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