"Algerien - der unheimliche Krieg"
Heutzutage steht die Bildreportage, deren Kunst es gerade ist, die Wirklichkeit zu zeigen und uns zu berühren, unter dem Verdacht der Manipulation. Der Hauch des Abenteuers ist einer Routine gewichen. Doch Bilder prägen unsere Wahrnehmungen, Vorstellungen und überschwemmen unseren Alltag dergestalt, daß Erkenntnis eher unterbleibt. Der Fotoband „Algerien – der unheimliche Krieg“ ist fast altmodisch: Ein Abenteuer – insofern das Fotografieren in Algerien nicht frei ist – und zudem eine ungekünstelte, kunstvolle Dokumentation des Alltags. Michael von Graffenried sucht mit seinen langgestreckten Querformaten nach einem Panoramabild der Gesellschaft, und was man sieht, ist ein Alltag der Gewalt, des Aufschreis, des Versteckens, des Durchhaltens, des Mordens und des Überlebens. Szenen aus einem menschlichen, vielfach männlichen Miteinander, wo die Menschen einander zur Bedrohung geworden sind. „Wir sehen, wie Algier, die weiße Stadt, durch die enttäuschten Hoffnungen zur schwarzen geworden ist, und was sie schließlich zur roten Stadt hat werden lassen, zur Stadt der durchgeschnittenen Kehlen.“ (Robert Delpire) Die abgebildeten Menschen scheinen sich – und uns – zu fragen, welche Zukunft sie haben, in einem Land, das die Gewalt des Unabhängigkeitskrieges nach wie vor „in den Knochen“ hat.
Michael von Graffenried, „Algerien – der unheimliche Krieg“, Bern (Benteli) 1998.