12.03.1999

Hanns Martin Schleyer, Oktober 1977 / Abdullah Öcalan, 18.Februar 1999

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Hanns Martin Schleyer, Oktober 1977 / Abdullah Öcalan, 18.Februar 1999

DIESE Bild-Collage, die wir dem BerlinerTagesspiegel vom 20. Februar 1999 entnahmen, veranschaulicht in ihrer Gegenüberstellung eine neue Dimension des Kurdenkonfliktes. Eine Person, die immer unverhohlene Siegesgewißheit ausgestrahlt hat und in gewisser Weise ein herausragender Repräsentant ihrer gesellschaftlichen Fraktion ist, wird im Moment der Niederlage entwürdigt, gedemütigt präsentiert. Der Gefangene als Siegestrophäe, vorgeführt zur gezielten Erniedrigung seiner Anhänger. Damit eskalierte 1977 die Auseinandersetzung – und so heute. Denn der Triumph der einen ist die Ohnmacht der anderen: Haß und Angst sind die Folgen. Kurden sehen das Bild an, um Rache zu suchen, und Türken sehen das Bild an, um sich vor der Rache zu fürchten. Die Menschen werden für eine vorgefertigte Politik zugerichtet, präpariert. Die Eskalation ist kalkuliert, ja gewollt.

Ein durch derartige Bilder provozierter Sturm der Gefühle verheert die Gesellschaft und verheißt Schau- und Scheinprozesse. Die RAF war recht eigentlich ohnmächtig gegen das Kapital, das türkische Militär hingegen ist mächtig und mörderisch gegen die Kurden. Doch die bildliche Gegenüberstellung holt historische Erfahrung in die Betrachtung der Gegenwart hinein. Bilder wie diese (das sahen wir damals und erleben wir heute) ersticken die Vernunft und jede politische Auseinandersetzung.

Fotos: AP / Reuters

Le Monde diplomatique vom 12.03.1999