Jochen Gerz
„Es gibt in der Kunst einen Ort, der nicht der Ort des Werkes ist, sondern der Blick des anderen. Ich sage dies am Ende eines Jahrhunderts, das gewissermaßen mit Kunst gesättigt ist. (...) Der einzige Kunstträger, der bislang nicht erforscht oder ,geschaffen' worden ist, ist der Andere.“
Jochen Gerz (1940 in Berlin geboren, heute in Paris lebend) hat in seiner Kunst zwei Dimensionen ins Zentrum gerückt: die Zeit und den Dialog. Ob in „Miami Islet“ (wo die Besucher Flaschen schmeißen) oder im Entwurf des Holocaustmahnmals in Berlin: Die Besucher sind keine Zuschauer; sie nehmen Teil. Die Kunst schafft einen Raum, den sie durch ihre Beiträge füllen und verändern. Die Zeit verstreicht – tätig. Gerz folgt damit keinem demokratischen Ideal. Er sucht nach der Begegnung mit dem Anderen, um den Narzißmus einer autoreferentiellen Kunst aufzubrechen, die ohne Erläuterungen nicht mehr auskommt. „Dann bin ich also die Kunst“, soll einer der Besucher einmal gesagt haben. „Dagegen ist nichts einzuwenden“, antwortete Jochen Gerz.
Die vorgestellte Porträtarbeit „Die Zeugen“ entstand in der Woche der Urteilsverkündung gegen den hohen Vichy-Funktionär Maurice Papon. Gerz besuchte 48 Anwohnerinnen aus Cahors – aus Papons Generation – und interviewte sie über eine mögliche Beziehung zwischen privater und öffentlicher Wahrheit. Das Ergebnis brachte er zurück auf die Straße...