09.10.2014

REPORTER OHNE GRENZEN FÜR PRESSEFREIHEIT Meldungen des Monats

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REPORTER OHNE GRENZEN FÜR PRESSEFREIHEIT Meldungen des Monats

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Schlechte Nachrichten

Die Zensurpolitik in China wird von einigen westlichen Medien auf peinliche Weise respektiert. Nach dem Beginn der Proteste in Hongkong ließ die chinesische Ausgabe des Wall Street Journal die Ereignisse 24 Stunden lang unerwähnt. Die Nachrichtenpause beim chinesischen Dienst der Nachrichtenagentur Reuters dauerte sogar zwei Tage. Im Netz blockierte die chinesische Zensurbehörde Fotos von der „Occupy Central“-Bewegung in Hongkong ebenso wie die entsprechenden Tags auf Weibo, dem chinesischen Twitter. Angesichts solcher Methoden kritisiert RoG auch die geplante Zusammenarbeit der Deutschen Welle mit dem chinesischen Staatssender CCTV. In letzter Zeit hat CCTV mehrfach „Geständnisse“ von Journalisten und Bloggern ausgestrahlt, die ihre kritische Berichterstattung öffentlich bereuen mussten. Zu ihnen gehörte auch Gao Yu, eine freie Mitarbeiterin der Deutschen Welle.

In Kuba wurde der Journalist Bernardo Arévalo innerhalb eines Monats zweimal belästigt und bedroht. Am 28. September nahm die Polizei den Mitarbeiter der Zeitung El Cubano Libre, de Hoy fest und nahm ihm einen USB-Stick mit Texten ab. Dem Journalisten wurde eine Gefängnisstrafe von vier Jahren angedroht, falls er nicht aufhöre, für die „konterrevolutionäre“ Zeitung zu schreiben. Die Polizei hatte ihn am 6. September schon einmal festgenommen und aufgefordert, das Land zu verlassen. Arévalo hatte von 1997 bis 2003 im Gefängnis gesessen, nachdem ihn ein Gericht wegen „Beleidigung“ von Fidel Castro und dessen Stellvertreter Carlos Lage verurteilt hatte.

Die Beeinträchtigung der Pressefreiheit, die in der Türkei immer weiter um sich greift, macht auch an den Landesgrenzen nicht halt. In der Lobby des New Yorker Hotels, in dem Staatspräsident Erdogan anlässlich der UN-Vollversammlung abgestiegen war, haben zwei Leibwächter Erdogans am 25. September die Journalisten Adem Yavuz Arslan und Ali Halit Aslan, Reporter der regierungskritischen Zeitungen Bugün und Zaman, angegriffen und vor die Tür gesetzt. Ein Mitarbeiter Erdogans bedrohte ihn mit dem Satz: „Deine Existenz ist ein Verbrechen.“ Gleich darauf wurde er von zwei Unbekannten angegriffen und musste den Schutz der New Yorker Polizei anfordern.

Gute Nachrichten

Am 2. Oktober hat das Verfassungsgericht der Türkei eine Gesetzesänderung annulliert, die der staatlichen Telekommunikationsaufsicht (TIB) mehr Rechte für Überwachung und Zensur einräumen sollte. Die erst am 10. September verabschiedete Gesetzesnovelle gestattete der TIB das „präventive Blockieren“ von Websites, die eine Gefahr für die „nationale Sicherheit“ oder die „öffentliche Ordnung“ darstellen, sowie die Speicherung aller Verbindungsdaten von Internetusern ohne staatsanwaltliche Ermächtigung. Das Verfassungsgericht verwarf diese Bestimmungen jetzt als verfassungswidrig. Allerdings verfügt die türkische Obrigkeit auch nach diesem Aufhebungsurteil über geeignete Instrumente, um Webinhalte zu unterdrücken.

In Brasilien hat das Supremo Tribunal Federal (STF) am 17. September eine wichtige Entscheidung zugunsten der Pressefreiheit getroffen. Das STF, das die Funktion eines Verfassungsgerichts hat, hob das Urteil eines Gerichts im nordöstlichen Bundesstaat Ceará auf, die der Gouverneur des Staats, Cid Gomes, erwirkt hatte. Darin war der Wochenzeitung Istoé unter Androhung einer Geldstrafe von 2,5 Millionen Dollar untersagt worden, eine Ausgabe zu verbreiten, in der Korruptionsvorwürfe gegen Gomes erhoben wurden. STF-Richter Luís Roberto Barroso erklärte die Entscheidung für verfassungswidrig, weil es eine präventive Zensurmaßnahme darstelle.

Le Monde diplomatique vom 09.10.2014