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Meldung des Monats
Mord in Islamabad
In Pakistan wurde der Journalist Syed Saleem Shahzad auf verdächtig demonstrative Weise ermordet. Ein Schwerpunkt des prominenten und erfahrenen Journalisten waren die unübersichtlichen Beziehungen zwischen den pakistanischen Taliban und dem pakistanischen Geheimdienst ISI, der faktisch dem Militär untersteht. Shahzad war allgemein und vor allem unter seinen Kollegen als gewissenhafter und mutiger Rechercheur und als bewust unparteiischer Analytiker geschätzt. Seine Texte erschienen vor allem in der Online-Zeitung Asia Today (ATol), aber auch in der internationalen Presse – so auch in Le Monde diplomatique.
Der Journalist war seit dem frühen Abend des 29. Mai verschwunden, nachdem er von seiner Wohnung in Islamabad zum Gebäude des Fernsehsenders Dunya TV aufgebrochen war, wo er seinen neuesten Bericht für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) präsentieren wollte. Nachdem er im Studio nicht angekommen war, gab seine Familie eine Vermisstenmeldung auf. Am 31. Mai wurde seine Leiche 150 Kilometer südöstlich der Hauptstadt aufgefunden, sein Auto war in der Nähe abgestellt. Der Tote wies Folterspuren auf, seine Kleider waren offenbar noch nach seiner Ermordung gewechselt worden.
Thema von Shahzads letztem Artikel für die Asia Times vom 27. Mai war der Angriff der Taliban auf die Marinebasis Mehran bei Karatschi, bei der am 22. Mai elf Soldaten und vier Angreifer getötet worden waren. Darin hatte der Journalist behauptet, al-Qaida habe innerhalb der pakistanischen Marine ein Netzwerk aufgebaut und der Anschlag sei mehr als der vermutete Racheakt für die Hinrichtung Osama bin Ladens. Vielmehr hätten die Islamisten die militärische Führung dafür bestrafen wollen, dass sie al-Qaida-verdächtige Marinesoldaten verhaftet hatte (der Artikel ist zu finden unter: www.atimes.com/atimes/South_Asia/ME27Df06). Ein zweiter Teil der Recherchen, den Shahzad angekündigt hatte, wird nie erscheinen. Nach Angaben der Redaktionsleitung von ATol war er noch nicht geschrieben.
Die möglichen Aktivitäten von Islamisten in den Reihen des Militärs sind in Pakistan ein sensibles Thema. Deshalb äußerten erfahrene Journalisten in Islamabad den Verdacht, dass Shahzad vom militärischen Geheimdienst ISI gekidnappt und hingerichtet worden sei. Ein Vertreter von HRW erklärte, er wisse aus „glaubwürdigen Quellen“, dass sich der Journalist vor seinem Tod in Gewahrsam des ISI befunden habe, und fügte hinzu: „Diese Tötung trägt alle Merkmale früherer Todesfälle, die auf das Konto pakistanischer Geheimdienste gehen.“
Shahzad war schon zuvor vom Geheimdienst verhört worden und hatte in einer E-Mail an einen HRW-Mitarbeiter seine Befürchtung ausgedrückt, dass man ihn liquidieren könnte. Reporter ohne Grenzen hatte gleich nach der Entführung des Journalisten an den pakistanischen Präsidenten Zardari geschrieben: „Wir haben allen Grund zu vermuten, dass Mr Shahzad von Agenten des Staats willkürlich festgenommen und anschließend weggeschafft wurde.“
Der ISI hat inzwischen bestritten, etwas mit der Entführung und Ermordung des Journalisten zu tun zu haben. Mit diesem Mord erhöht sich die Zahl der Journalisten, die in Pakistan seit Anfang des Jahres 2010 ermordet wurden, auf insgesamt 16. Damit gehört Pakistan zu den für Medienarbeiter gefährlichsten Ländern.
Das letzte Buch von Syed Saleem Shahzad erschien zehn Tage vor seinem Tod bei Pluto Press, London: „Inside Al Qaeda and the Taliban: Beyond Bin Laden and 9/11“. Das Buch basiert auch auf Gesprächen, die der Autor mit Taliban-Führern in Pakistan und Afghanistan geführt hat. Für Le Monde diplomatique schrieb Shahzad im Oktober 2008 eine Analyse über die Entstehung neuer Taliban-Gruppen in Pakistan: „Vom Aufstand zum Krieg“.