Sarkozysmus
von Ignacio Ramonet
Die Art und Weise, wie Nicolas Sarkozy seinen Kampf um das französische Präsidentenamt gestaltet hat, beweist politisches Genie und hat durchaus etwas Faszinierendes. Die spezielle Melange von Engagement, Autorität, Leutseligkeit und Provokation in seinem Auftreten, die ideologische Verschmelzung von Nationalismus und Liberalismus, die brillante Rhetorik und die fast schon unheimliche Intelligenz im Umgang mit den Massenmedien hat ihm einen eindeutigen Sieg beschert – auch dank der allgemeinen Unterstützung durch die Medien und „die Wirtschaft“.
Im Nachhinein erstaunt nicht zuletzt die geistige Trägheit, die Sarkozys Gegner an den Tag legten. Sie haben es dem Kandidaten der Rechten ermöglicht, in den Debatten um die Abgrenzung der politischen Lager seine eigene Definition von rechts und links durchzusetzen. Während innenpolitische Beobachter in Frankreich darüber sinnierten, ob die Demarkationslinien sich im Zuge der neoliberalen Globalisierung verschoben haben, schuf Sarkozy Fakten und bewies: Zur französischen Rechten gehört von nun an auch ein Teil der Sozialistischen Partei, zumindest deren sozialliberaler Flügel.
Die Ära des Gaullismus geht zu Ende. Was folgt, ist der Sarkozysmus – ein Populismus, der mit der Illusion eines vermeintlich „modernen“ oder „fortschrittlichen“ politischen Aufbruchs die gesamte Rechte hinter sich versammelt hat, von der rechten Mitte über die rechtsextremen Lepenisten bis zu den Sozialliberalen.
Das neuerliche Scheitern der französischen Linken ist in erster Linie eine Niederlage auf dem Feld der theoretischen Auseinandersetzung. Dass diese Linke es wegen ihrer Unbeweglichkeit und Unfähigkeit oder wegen ihrer Distanz zu den unteren Wählerschichten nicht geschafft hat, ein neues politisches Konzept für ein gerechteres Frankreich auszuarbeiten, hat sich als selbstmörderisch erwiesen. Denn wer Antworten auf die Auflösung bestehender gesellschaftlicher Strukturen oder auf den verheerenden Siegeszug der neoliberalen Globalisierung suchte, konnte sie hier nicht finden.
Die französische Linke begann den Wettbewerb der Ideen in dem Moment zu verlieren, als sie selbst an der Regierung war. Denn sie nutzte ihre Macht lediglich dazu, die Löhne zu deckeln, Arbeitsplätze zu vernichten, industrielle Reserven zu liquidieren und einen Teil des öffentlichen Sektors zu privatisieren. Sie besiegelte ihre Niederlage bei den jüngsten Präsidentenwahlen, indem sie eine historische Mission übernahm, die ihrem Wesen zuwiderläuft: Frankreich an die vermeintlichen Erfordernisse der neoliberalen Globalisierung „anzupassen“, es auf Kosten der Lohnabhängigen und zugunsten des Kapitals zu modernisieren.
In dieser Situation den Massenmedien die Verantwortung für das eigene Versagen zuzuschieben, ist nichts als kindisches Gejammer oder Ausdruck völliger Ohnmacht. Die Medien sind von nun an die wichtigste ideologische Stütze des neuen Systems. Denn in der Hierarchie der neoliberalen Globalisierung steht die Macht der Wirtschaft und des Kapitals an erster Stelle, gefolgt von den Medien, die im Dienste dieser Macht stehen. Gemeinsam dominiert dieses Duo auch die Politik. Denn die politische Gewalt kann sich in der sogenannten Meinungsdemokratie im Zeitalter der Globalisierung nur durchsetzen, wenn sie sich die Zustimmung der beiden anderen Gewalten verschafft.
Dass dies so ist, hat auch die „Linke innerhalb der Linken“ nicht sehen wollen. Trotz vieler guter Vorschläge bot sie in diesem Wahlkampf meist ein Spektakel der Uneinigkeit und der persönlichen Eitelkeiten. Für die französische Linke insgesamt ist diese Niederlage ein tiefer Einschnitt und das Ende einer Ära. Jetzt muss sie sich neu begründen, um einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ aufzubauen, wie man es in Lateinamerika nennt.