Etappensieg für Polens Demokraten
von Christian Semler
Der 11. Mai 2007 könnte in der Geschichte der polnischen Demokratie zu einem herausragenden Datum werden. An jenem Freitagabend urteilte das polnische Verfassungsgericht, dass das von der Regierungsmehrheit der nationalistischen Rechten beschlossene Lustrations-(Durchleuchtungs-)gesetz verfassungswidrig sei.
Dieses Gesetz sah vor, rund 700 000 polnische Bürger einer Überprüfung wegen einer möglichen Spitzeltätigkeit für die Geheimdienste zu Zeiten des Realsozialismus zu unterziehen. Betroffen waren davon nicht nur Parlamentarier und Funktionäre des Staatsapparats sondern auch Wissenschaftler, Journalisten und sogar Unternehmer, zum Beispiel Leiter privater Verlagshäuser.
Wer die Überprüfung verweigerte oder falsche Angaben machte, riskierte die Entlassung und ein langjähriges Berufsverbot. Auch bei einem „Schuldbekenntnis“ konnte der Vorgesetzte oder Arbeitgeber Sanktionen verhängen. Das Gesetz drohte sogar gewählten Volksvertretern, die eine Überprüfung verweigerten, mit dem Entzug ihres Mandats – ein eklatanter Angriff auf die Rechte des Parlaments, dem es in allen Demokratien vorbehalten bleibt, die Immunität des Abgeordneten aufzuheben, um den einzigen Weg zur Aberkennung des Mandats freizugeben: ein ordentliches Gerichtsverfahren.
Mit seinem Urteil hat das Verfassungsgericht dem bislang massivsten Versuch der Kaczynski-Regierung, mittels verfassungswidriger Gesetze den Rechtsstaat zu ruinieren, einen Riegel vorgeschoben. Das Gericht widerstand den Einschüchterungsversuchen wie auch den verleumderischen Behauptungen der Regierung, es dulde in seinen Reihen ehemalige Spitzel des Sicherheitsdienstes. Es erklärte die Lustration nicht schlechthin für verfassungswidrig, schränkte aber den Umkreis der Durchleuchtungskandidaten entscheidend auf wichtige Funktionen im öffentlichen Bereich ein.
So wurde beispielsweise die Lustration von Journalisten, von Wissenschaftlern in privaten Labors und Verlegern für verfassungswidrig erklärt. Auch der von der Regierung vorgelegte Fragebogen hielt der gerichtlichen Prüfung nicht stand. Er bedürfe, so das Gericht, der Präzisierung. Der Lustrationsbescheid muss die Zuträgerdienste genau beschreiben und eine tatsächliche Zusammenarbeit beweisen. Allein der Name auf der Spitzelliste genügt nicht.
Prominente Verweigerer der Durchleuchtung
Indem das Gericht in seinem Urteil die Geltung von Grundrechten bekräftigte, schafft es Vertrauen in den rechtsstaatlichen Prozess. Und damit ist es in Polen – Erbschaft der realsozialistischen Verhältnisse – bislang schlecht bestellt.
Im Vorfeld dieses Urteils, während die Frist für die Abgabe der Erklärungen bereits lief, fand eine für Polen bedeutsame Debatte über die Rechtmäßigkeit der Durchleuchtung statt. Prominente, allseits geachtete Politiker wie der ehemalige Premier Tadeusz Mazowiecki und Bronislaw Geremek, ehemaliger Außenminister und heute Abgeordneter des Europäischen Parlaments, verweigerten sich der Lustration mit dem Argument, sie seien bereits mehrfach durchleuchtet worden und die neuerliche Prozedur sei nichts als eine politische Waffe in der Hand der Regierung.
Aber für Journalisten ohne mächtige Rückendeckung bedurfte es großen persönlichen Mutes, vor dem Urteil vom 11. Mai die Lustration zu verweigern. Viele taten es dennoch, indem sie den Fragebogen einfach nicht an die Prüfungsbehörde zurücksandte. Und viele beteiligten sich auch an dem öffentlichen Meinungsstreit, in dem sich Befürworter wie Gegner der Lustration „outeten“.
Um den Charakter dieser Auseinandersetzung an einem Beispiel zu illustrieren: Im Kurier Szczecinski (Stettiner Kurier) vom 26. und 27. April, fern von Warschau und zentraler Medienresonanz, vertraten zwei Redaktionskollegen ihre konträren Standpunkte. Zbigniew Jasina, der den Lustrations-Fragebogen ausgefüllt und zurückgeschickt hatte, schrieb: „Ich leide nicht und fühle mich nicht gedemütigt. Vielleicht fehlt meiner Seele ja die entsprechende Empfindlichkeit. Ich fand aber meine Würde unverletzt, als die Verkehrspolizei von mir verlangte, ins Röhrchen zu blasen … Ich habe hineingeblasen, obwohl ich nicht betrunken war. Wahrscheinlich hätte ich dagegen auch auf Teufel komm raus protestieren sollen …“
Demgegenüber schrieb der Verweigerer Bogdan Twardochleb: „Wenn ich die verlangte Erklärung nicht zum festgelegten Termin abgebe, verliere ich meine Arbeit und mir wird sogar verboten, öffentlich meine Ansichten zu vertreten. Wenn ich nicht unterschreibe, wird alles, was ich in meinem Leben bisher geleistet habe, für den polnischen Staat völlig bedeutungslos sein. Dann befinde ich mich außerhalb des gesellschaftlichen Lebens, denn in diesem Staat … wird mir faktisch der Mund verboten.“
Beide Positionen brachten den Streitgegenstand auf den Punkt. Die erste hielt sich an die Linie „Wer nichts Unrechtes getan hat, hat auch nichts zu verbergen“, eine Haltung, die uns in Deutschland auch durch Innenminister Schäuble bestens vertraut ist. Jasina sieht in der Lustration lediglich eine Überprüfung, wie sie für Polizeiarbeit typisch ist. Twardochleb hingegen macht auf die gravierenden Folgen der Verweigerung aufmerksam, den drohenden Verlust von Menschen- und Bürgerrechten. Eine symptomatische Kontroverse.
Die Exekutive hatte vorgesorgt, um die Durchleuchtung problemlos über die Bühne gehen zu lassen. Als Prüfungsinstitution war das Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) vorgesehen, bei dem die Akten der polnischen Geheimdienste gesammelt sind. Gegründet wurde es zum 1. Januar 1999 als „Institut für Nationales Gedenken – Kommission zur Strafverfolgung von Verbrechen gegen das polnische Volk“, in der Nachfolge einer Solidarnosc-Institution. Es hatte die doppelte Aufgabe, sowohl Verbrechen während der Nazi-Okkupation als auch solche unter der realsozialistischen Diktatur aufzuklären. Den Opfern sollte Akteneinsicht ermöglicht werden, sie sollten das Recht haben, die Öffentlichkeit zu informieren.
Eine Institution zur Aufklärung verändert ihr Gesicht
Das IPN erwarb sich in der ersten Phase seiner Tätigkeit beträchtliche Verdienste, etwa bei der Aufarbeitung des „Jedwabne-Komplexes“, also der von den Nazis angestifteten Morde an jüdischen Polen durch die christlich-polnische Bevölkerung in den Gebieten, die nach dem Hitler-Stalin-Pakt zunächst von der Sowjetunion annektiert und dann, nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941, von der Wehrmacht besetzt wurden.
Im Institut waren eine Reihe fähiger Wissenschaftler und Juristen tätig. Letztere arbeiteten für eine Abteilung, die der Staatsanwaltschaft angeschlossen war. Allerdings verfügte das IPN bei weitem nicht über die nötigen Geldmittel, um für eine rasche Aufklärung im Fall der Opfer der realsozialistischen Geheimdienste zu sorgen.
Unter der Herrschaft der Kaczynskis hat sich der Charakter des Instituts rasch verändert. Die Leitung wurde ausgetauscht, viele der ursprünglichen Mitarbeiter verließen daraufhin das Institut. Heute stellt es eine Hochburg der Rechtsnationalistischen in Polen dar. Der neue Institutsleiter verkündete schon vorab, nach der Überprüfung der Akten werde „die polnische Nachkriegsgeschichte neu zu schreiben sein“.
Für die Anhänger der Kaczynskis schwingt im Begriff der lustracja auch der Gedanke an „Reinigung“ mit. Reinigung wovon?
Bekanntlich hat 1989 ein runder Tisch von Vertretern der Solidarnosc-Opposition und dem realsozialistischen Regierungslager über eine Reihe von Kompromissen den Weg zur demokratischen Umgestaltung geebnet. Erst 1990 löste eine Solidarnosc-Regierung die bis dahin amtierende Koalitionsregierung ab. Der Streit um die Lustration entzündete sich an der Frage, ob es nicht richtiger gewesen wäre, zu diesem Zeitpunkt die realsozialistische Machtelite frontal anzugreifen und ihr jede Möglichkeit zu nehmen, im neuen Polen ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen.
Die Lustration wurde deshalb von der sich formierenden konservativ-nationalen Rechten als Teil eines umfassenderen Prozesses der „Dekommunisierung“ angesehen. Vorschläge, die vormalige Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei, in Polen also der „Vereinigten Arbeiterpartei“, zu kriminalisieren, wurden zu Beginn der 1990er-Jahre in Ostmitteleuropa und Russland erwogen, aber nirgendwo durchgesetzt.
In Polen vertrat der erste Solidarnosc-Premier Tadeusz Mazowiecki die Linie vom „dicken Schlussstrich“. Damit war allerdings nicht die Vorstellung verbunden, jede Verfolgung vergangenen „kommunistischen Unrechts“ zu verhindern. Vielmehr sollte die Aufarbeitung in rechtsstaatlich geregelten Verfahren erfolgen und von der Prüfung im Einzelfall abhängig sein. Mazowiecki ging es nicht um „Reinigung“, sondern um den Aufbau demokratischer Institutionen. Mitglieder und Funktionäre der Arbeiterpartei generell vom demokratischen Prozess auszuschließen, lehnte er ab.
Im Rahmen dieser politischen Grundlinie wurde auch die Auffassung vertreten, eine Überprüfung von Funktionsträgern auf eine mögliche Spitzeltätigkeit für die Geheimdienste sei abzulehnen. Die Akten müssten geschlossen bleiben, sie sollten sich nur den künftigen Historikern öffnen.
Einer der Hauptvertreter dieser Richtung war der sehr einflussreiche Publizist und vormalige Oppositionelle Adam Michnik. Er führte nicht nur das grundsätzliche Argument ins Feld, man dürfe den demokratischen Aufbau Polens nicht mit der Last der Vergangenheit beschweren. Er wies außerdem pragmatisch darauf hin, die Akten der Sicherheitsdienste seien bereits zu Beginn der 1990er-Jahre vielfach geplündert worden, seien also lückenhaft. Und man habe sie so oft verfälscht, dass sie auch da, wo das Original erhalten war, keinen Anspruch auf Zuverlässigkeit haben könnten.
Die Debatte um das Pro und Kontra in der Lustrationsfrage erfuhr dann im Mai 1992 eine jähe Zuspitzung. Damals beschloss das Parlament, einem Eilantrag folgend, dass die Regierung innerhalb von neun Tagen eine Liste vorzulegen habe, in der die Spitzeltätigkeit von hohen staatlichen Funktionsträgern, Parlamentariern und Regierungsmitgliedern dokumentiert sei. Die vom damaligen Innenminister, dem ausgewiesenen Rechtsnationalisten Antoni Macierewicz vorgelegte Liste erwies sich als so fehlerhaft, dass das ganze Verfahren vom Verfassungsgericht gekippt wurde. Die anschließenden Wahlen brachten die erste Linksregierung an die Macht. Die legte das Lustrationsprojekt auf Eis. Für die Kaczynski-Zwillinge ist diese „Nacht der Akten“ vom Mai 1992 nach wie vor das Resultat einer Verschwörung der Wendekommunisten und ihrer Helfershelfer, den „Verrätern“ von 1989.
Ein Lustrationsgesetz gibt es schon zehn Jahre
Erst 1997, unter einer erneuten Solidarnosc-Regierung, trat schließlich das Lustrationsgesetz im Kraft, das bis zur Gesetzesnovelle der Kaczynskis Gültigkeit hatte. Dieses Lustrationsgesetz betraf den Kreis höherer Staatsfunktionäre, Regierungs- und Parlamentsmitglieder, das waren insgesamt rund 20 000 Personen. Aus dem Lustrationsbescheid musste hervorgehen, dass es sich bei der Spitzeltätigkeit um eine „bewusste und dokumentierte Art der Zusammenarbeit“ gehandelt hatte. Gegen den Bescheid war der Rechtsweg zu einem Lustrationsgericht offen, das allerdings erst 1998 besetzt werden konnte. Die Prüfung und den Bescheid übernahm schließlich das IPN.
In der westlichen, besonders der deutschen Diskussion zum Lustrationsgesetz der Kaczynskis wurde häufig argumentiert, dieses Gesetz bewege sich völlig in dem Rahmen, der auch dem deutschen Stasi-Unterlagen-Gesetz zugrunde liege. Insbesondere sei die Zahl der überprüften Ostdeutschen, also rund 3,5 Millionen, prozentual weit höher als der für Polen angenommene Personenkreis von maximal 700 000. Auch sei das Instrument der Regelanfrage im öffentlichen Dienst viel umfassender und schärfer angewandt worden.
Diese Argumentation übersieht, dass im Vergleich zur deutschen Rechtslage das polnische Lustrationsgesetz weit umfangreichere Personengruppen umfasst und dass es unmittelbar eintretende Rechtsfolgen, zum Beispiel ein zehnjähriges Berufsverbot einschließt. Im Gegensatz zu einer landläufigen Auffassung schrieb (und schreibt auch nach seiner Novellierung) das deutsche Gesetz keine Regelanfrage vor. Die muss von den entsprechenden Behörden angeordnet werden. Wobei der Bescheid der Prüfungsbehörde (also der heutigen Birthler-Behörde) jeweils im Einzelfall gewürdigt werden muss.
Eventuelle Entlassungen unterliegen der gerichtlichen Nachprüfung. Dass, besonders in den „Südstaaten“ der verblichenen DDR, die Regelanfrage summarisch behandelt und die Verantwortlichkeit des Einzelnen nicht hinreichend berücksichtigt wurde, steht auf einem anderen, unrühmlichen Blatt. Die Birthler-Behörde versteht sich nach wie vor als reine Auskunftei und als Wissenschaftsbetrieb.
Im Gegensatz zum vereinten Deutschland, wo noch für jeden subalternen Staatsdiener der DDR ein westdeutscher Nachfolgekandidat bereitstand, war in Polen der Wechsel der Eliten nicht so leicht zu bewerkstelligen. Die einstmals herrschende Staatspartei mutierte zur Sozialdemokratie und meldete ihren Anspruch auf erneute politische Führung an. In der ersten Phase des Übergangs zum Markt und der Privatisierungen, also in den frühen 90er-Jahren, sicherten sich Teile der ehemaligen Nomenklatura ihren Anteil am Produktivvermögen.
Diese beiden Umstände dienten den Rechtsnationalen schon damals zur Illustration der Behauptung, die einstigen Bedrücker würden, in Seilschaften organisiert, weiterhin die polnische Nation ausbeuten. Dies könnten sie nur, weil der liberale, proeuropäische Flügel der Solidarnosc sie gewähren lasse, ja mit ihnen faktisch verbündet sei. Mit dieser mythologische Verbrämung entzog sich die nationalistische Rechte der Verpflichtung, eine realistische Alternative zum ablaufenden Privatisierungsprozess zu erarbeiten.
Emotionales Ersatzprogramm der nationalistischen Rechten
Während der ganzen Periode des Übergangs spielte die nationalistische Rechte auf der Klaviatur der Verteidigung der kleinen Leute. Sie klagte den liberalen Flügel der Solidarnosc-Bewegung an, die Ideale der Solidarität zu verraten und die Gesellschaft zu spalten. „Wo ist“, fragte sie „unser Sieg geblieben?“ Die Kritik am neoliberalen Crashkurs der 90er-Jahre konnte deshalb auf so starke Resonanz hoffen, weil die neuen Sozialdemokraten, einmal an der Macht, den Kurs der Anpassung an die von der Europäischen Union und den internationalen Finanzinstitutionen vorgegebenen Kurs der „Stabilisierung“ rigoros durchsetzten.
Sie waren zudem in ihrer zweiten Regierungsperiode bis zur Halskrause in Bestechungsskandale verwickelt und büßten jede Glaubwürdigkeit ein. Die Folge: Das Potenzial des sozialen Protests wanderte ab zur politischen Rechten. Freilich dachte die von den Kaczynskis begründete Partei „Recht und Gerechtigkeit“ gar nicht daran, dem neoliberalen Kurs in Polen ein eigenes, kohärentes, sozialen Zielsetzungen verpflichtetes Programm entgegenzusetzen. Trotz des ökonomischen Booms, trotz Preisstabilität, trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit wäre ein solches Pogramm in Polen dringend vonnöten. Denn der Boom vertieft noch den sozialen Riss in der Bevölkerung, verfestigt die Marginalisierung großer sozialer Gruppen. Angesichts dieser Lage bietet die nationalistische Rechte als emotionales Ersatzprogramm das Bild eines von Feinden und Parasiten gereinigten Polens. Statt sozialer Maßnahmen also die Identifikation mit einem staatlich verordneten Geschichtsbild, das von der Größe und der Selbstbehauptung des Polentums zeugt.
Polen braucht, so die Kaczynskis, den starken Staat und die starke Hand. Inspirierendes Vorbild ist ihnen Marschall Pilsudski, die autoritäre Führergestalt im nach 1918 wiedererstandenen Polen. Pilsudski wird heute wieder als Gründer und Baumeister des Staates gefeiert, als Kämpfer wider Korruption und Staatsverdrossenheit; seine Verachtung der Parteien und des parlamentarischen Prozesses wird dagegen teils bagatellisiert, teils ausdrücklich begrüßt. Nicht wenige Intellektuelle in Polen haben den Ruf des Kaczynski-Lagers nach dem starken Staat unterstützt. Sie sehen in der Geringschätzung staatlicher Institutionen ein übles Erbe der Zeit der polnischen Teilungen, als es keinen polnischen Staat gab.
Was aber die Zwillinge bislang in dieser Frage geleistet haben, hat nichts mit der Festigung demokratischer staatlicher Institutionen zu tun. Es erschöpft sich in der rigorosen Auswechslung des Personals, in der Besetzung von Posten mit loyalen Parteigängern, wo immer sich ihnen dazu die Gelegenheit bietet, wie zum Beispiel im Rundfunk- und Fernsehrat. Das Lustrationsverfahren sollte als ein weiterer Hebel dienen, um wichtige Posten frei zu räumen und zu übernehmen. Ein Instrument nachholenden Elitenwechsels.
Freilich sieht es nicht danach aus, als ob solche Blütenträume rasch Wirklichkeit werden könnten. Im Kampf gegen das Lustrationsgesetz haben sich viele Menschen wieder aktiviert, die angesichts des Fehlens einer demokratischen linken Alternative im Parteienspektrum resigniert hatten. Mag die Parteienlandschaft gegenwärtig auch verödet sein – die zivile Gesellschaft zeigt Zeichen eines neuen Lebens.
© Le Monde diplomatique, Berlin Christian Semler ist Mitarbeiter der tageszeitung.