13.11.2014

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Gute Nachricht aus Bolivien

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In Krisenzeiten ist es eher ungewöhnlich, dass ein Staatschef nach zwei Amtszeiten gleich im ersten Wahlgang wiedergewählt wird. Evo Morales’ Wiederwahl mit 61 Prozent der Stimmen hätte also mehr Beachtung verdient, zumal sie ihm in einem Land wie Bolivien gelang, das zwischen 2001 und 2005 fünf Präsidenten verschlissen hatte. Sein Wahlerfolg krönt seine Leistungen: Seit 2006 wurde die Armut um 25 Prozent reduziert, das Mindesteinkommen um 87 Prozent angehoben, das Rentenalter gesenkt (für Männer von 60 auf 58 Jahre, für Frauen von 60 auf 55 Jahre, sofern sie drei oder mehr Kinder haben) und ein Wirtschaftswachstum von über 5 Prozent pro Jahr erzielt. Wenn man sich wieder mehr für Politik begeistern soll, wie es immer heißt, müssten gute Nachrichten mehr Verbreitung finden. Geschieht das vielleicht deshalb nicht, weil sie auf Reformen linker Regierungen zurückzuführen sind?

Ebenso diskret wie die Erfolge der linken lateinamerikanischen Regierungen werden in den Massenmedien die Misserfolge konservativer Regierungen behandelt, zumal auf dem Gebiet der Sicherheit. Dieses Jahr wurden in Mexiko fünf Journalisten umgebracht, einer erst vergangenen Monat, während er im Radio live auf Sendung war. Atilano Roman Tirado hatte immer wieder gefordert, 800 Familien, die für den Bau eines Staudamms enteignet worden waren, auch zu entschädigen. Solcher Kampfgeist ist in einer Umgebung, wo Entführung, Folter und Mord das tägliche Brot sind, fatal – vor allem für jemanden, der den maroden und mafiosen Zustand der Gesellschaft kritisiert.

Am 26. und 27. September protestierten Studenten aus der Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero, 130 Kilometer von Mexiko-Stadt entfernt, gegen die neoliberalen Bildungsreformen von Präsident Enrique Peña Nieto. Die örtliche Polizei hielt die Busse, in denen sie unterwegs waren, tötete 6 von ihnen und brachte 43 an einen unbekannten Ort. Vermutlich wurden sie einer Drogenbande ausgeliefert, die sie töten und ihre Überreste in geheimen Massengräbern verscharren sollte. Solche Gräber wurden in den letzten Wochen ständig entdeckt, häufig voller verstümmelter oder verbrannter Leichen. Der Bürgermeister, seine Frau und der Sicherheitschef von Iguala ergriffen die von der Wirtschaftspresse prophezeite Flucht, als die Justiz nach ihnen fahndete.

Präsident Peña Nieto wird, seit er den mexikanischen Energiemarkt für die Multis geöffnet hat, von der Wirtschaftspresse hofiert. Frankreich hat ihm das Großkreuz der Ehrenlegion verliehen. Werden ihn seine Bewunderer auch zur Rede stellen, weil korrupte Polizisten und Abgeordnete in seinem Land praktisch straflos bleiben?

Vielleicht wissen die großen westlichen Zeitungen, die Medienintellektuellen, die Regierungen in Washington, Madrid und Paris nicht, welche Fragen sie dem mexikanischen Präsidenten stellen könnten. Sollen sie doch das fragen, was ihnen spontan einfiele, wenn das Massaker in Ecuador, Kuba oder Venezuela stattgefunden hätte. Oder in diesem Bolivien, von dem man hört, sein Präsident sei gerade wiedergewählt worden. Serge Halimi

Le Monde diplomatique vom 13.11.2014, von Serge Halimi