13.07.2007

Wettrüsten im Kaukasus

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Wettrüsten im Kaukasus

Anfang Mai teilte der georgische Verteidigungsminister mit, dass der Militärhaushalt für 2007 um 444 Millionen auf 957 Millionen GEL (Georgische Lari) (423 Millionen Euro) erhöht wird. Das entspricht einer Steigerung um 86 Prozent. Damit werden die Militärausgaben – bei einem Gesamthaushalt von 3,7 Milliarden GEL – knapp 26 Prozent der Staatsausgaben beanspruchen.

Das bedeutet für den Zeitraum seit der Rosenrevolution eine Steigerung um mehr als das Zehnfache. Zugleich hat Georgien angekündigt, dass es sein militärisches Kontingent im Irak von 850 auf 2 000 Mann aufstocken wird, womit die Georgier den drittgrößten Beitrag zur Besetzung des Irak unter Führung der USA leisten würden. Seit 2001 bezieht Georgien von den USA beträchtliche Militärhilfe in Form von Rüstungsgütern und militärischem Ausbildungspersonal.

Wozu braucht Georgien derart hohe Militärausgaben? Da das Land vor der Revolution praktisch keine Streitkräfte hatte, muss es jetzt große Anstrengungen unternehmen, damit sein Wunsch nach einer raschen Integration in die Nato erfüllt werden kann. Der Nato-Beitritt gilt in Tbilissi derzeit als eines der vordringlichsten politischen Ziele.

Stimmen aus dem georgischen Militär beklagen, dass viele der besten Offiziere, die das US-Ausbildungsprogramm durchlaufen haben, aus georgischen Diensten ausgeschieden sind. Das lag unter anderem an dem niedrigen Gehaltsniveau und an fehlendem Wohnraum. Deshalb ist ein Teil der Etaterhöhung für den Bau von Offizierswohnungen, aber auch für Gehaltserhöhungen vorgesehen.

Doch die erhöhten Militärausgaben lassen auch andere Schlüsse zu. Vor kurzem wurde ein neuer Armeestützpunkt in Senaki fertig gestellt, auf dem nahe der Grenze zu Abchasien 3 000 Soldaten stationiert werden können. Eine zweite Basis wird in Gori gebaut, nur eine halbe Autostunde von Tschinwali, der Hauptstadt Südossetiens, entfernt.

Einen großen Teil seines Verteidigungsbudgets gibt Georgien auch für neue Waffensysteme aus, unter anderem für Panzer und Feldartillerie aus ukrainischer Produktion und für gebrauchte Waffen aus den Arsenalen osteuropäischer Länder, die nach ihrem Nato-Beitritt ihr altes Gerät sowjetischer Provenienz abstoßen wollen. Mit anderen Worten: Die meisten der neu angeschafften Waffen sind nicht Nato-tauglich, können aber in künftigen Kämpfen um Südossetien oder Abchasien eingesetzt werden.

Auch Aserbaidschan hat seine Militärausgaben drastisch erhöht: Sie sind von 135 Millionen Dollar im Jahre 2003 auf 871 Millionen Dollar im aktuellen Jahr gestiegen, eine Steigerung um mehr als das Fünffache. Angesichts der Petrodollars, die seit Eröffnung der Ölpipeline zwischen Baku und dem türkischen Mittelmeerterminal Ceyhan in die Staatskasse strömen, verspricht Präsident Alijew, die Militärausgaben immer weiter zu erhöhen, bis sie das Niveau des gesamten armenischen Staatshaushalts erreicht haben.

Die Regierung in Baku hat bereits viele neue Waffensysteme gekauft, darunter Kampfflugzeuge, Panzer, Artillerie und Raketenwerfer. Seit 2003 verkündet die Führung in Baku immer wieder, dass sie Karabach und die sechs aserbaidschanischen Provinzen, die sich um die armenische Enklave gruppieren, mit militärischen Mitteln zurückerobern will, falls die Verhandlungen scheitern sollten, die derzeit mit Eriwan über die Zukunft der von armenischen Streitkräften kontrollierten Gebiete geführt werden.

Auch Armenien versucht bei diesem Wettrüsten mitzuhalten: Es hat seinen Verteidigungshaushalt von 100 Millionen Dollar im Jahre 2005 auf 210 Millionen Dollar für 2007 aufgestockt. Eriwan unterstützt die Streitkräfte von Karabach sowohl mit erheblichen finanziellen Mitteln als auch über militärische Kooperation. Die winzige, völkerrechtlich nicht anerkannte Republik unterhält bei nur 150 000 Einwohnern eine Kampftruppe von 20 000 Mann; neuerdings bringt sie gewaltige Mittel für die Errichtung einer dritten Verteidigungslinie auf.

Auch Russland unterhält in der Region militärische Einrichtungen, darunter die Militärbasis Gumri in Armenien und eine große Radarstation im aserbaidschanischen Gabala. (Dorthin wollte Russlands Präsident Putin das von den USA in Tschechien geplante Radarsystem zur Raketenabwehr verlegen). In Georgien dagegen muss Russland seine Militärbasen in Batumi und in Achalkalaki aufgeben.

Die USA haben ihre militärische Zusammenarbeit mit allen drei Ländern verstärkt, wobei ihr besonderes Augenmerk Georgien gilt. Als die Financial Times Anfang Mai berichtete, die Regierung in Tbilissi erwäge das Angebot an die USA, gewisse Komponenten des geplanten Raketenabwehrsystems auf georgischem Territorium zu installieren, erfolgte eine heftige Reaktion aus Moskau. Putin drohte, den Vertrag über die Beschränkung der konventionellen Rüstung in Europa aufzukündigen, was den Zusammenbruch der gesamten konventionellen Sicherheitsarchitektur in Europa bedeuten würde.

Die beschleunigte Aufrüstung könnte den Politikern, die in der Kaukasusregion an der Macht sind, ein falsches Gefühl der Stärke verleihen. Die Region hat bereits in der Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion fünf Kriege erlebt, unter deren Folgen Millionen Menschen noch immer tagtäglich zu leiden haben.

Vicken Cheterian

Le Monde diplomatique vom 13.07.2007, von Vicken Cheterian